Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
bestimmtes Bild von ihm gemacht. Frauen und Männer aller Altersgruppen, von Omi bis Alyssa, sind davon überzeugt, dass er seiner jungen Frau nicht treu ist, aber alle geben Inès die Schuld und nicht Karim selbst – und trotzdem scheint Zahra den Gedanken, dass sie ebenfalls auf seinen Charme hereinfallen könnte, lustig zu finden. »Sei mir nicht böse, aber ich muss los«, sagte sie. »Die anderen fragen sich bestimmt schon, wo ich stecke.«
Ich schaute ihr nach, als sie den Boulevard entlangeilte. Was sie über Karim gesagt hatte, glaubte ich ihr, aber alles andere fand ich merkwürdig. Warum sollte sie so spät noch Sachen für den alten Mahjoubi hier abgeben? Und warum ist sie Karim gegenüber misstrauisch, während alle anderen ihn so toll finden?
Ich ging zum Eingang des Studios. Wie immer war das Neonschild erleuchtet. Drinnen war alles still. Ich drückte gegen die Tür, und sie öffnete sich. Hinter dem Chlorgeruch nahm ich einen sumpfig-muffigen Gestank wahr. Diese alten Gebäude sind immer sehr schnell überschwemmt, und der Tannes hat extremes Hochwasser. Ansonsten konnte ich nichts Ungewöhnliches feststellen, ich sah nur die Umrisse der Laufbänder und Hometrainer in der Dunkelheit.
»Hallo?«, rief ich. Keine Antwort.
Ich schloss die Tür hinter mir und ging zurück zum Boulevard. Durch die enge Passage, die zum Flussufer führt, sah ich Lichter, hörte Musik und Stimmen. Die Flusszigeuner feierten. Ich lief den Boulevard hinunter bis zum Anlegesteg. Durch die Bäume konnte man mehrere Feuer sehen und hin und her wandernde Schatten. Lagerfeuer ziehen mich schon immer magisch an, und so strebte ich, fast ohne es zu merken, zum Landesteg und zu den Lichtern. Jemand stand am Ufer und röstete Kartoffeln über einem Feuer in einem Metallfass. Vom Deck eines Flussbootes schauten zwei Gestalten dabei zu, eine dritte übte Affensprünge und rief: »Bam! Bam! Badda-bam!«
Ich trat zwischen den Bäumen hervor.
»Maman!«, jubelte Anouk. »Wir haben Joséphine gefunden. Und sieh nur, wer hier ist!«
Joséphine hatte sich sofort erhoben, als ich beim Steg erschien. Sie trug Jeans und einen Matrosenpullover, und im Widerschein der Laternen sahen ihre Haare aus wie ein Strahlenkranz.
»Ich wollte dich holen«, sagte sie. »Aber …«
Ich hörte ihr gar nicht zu. Meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Mann am Ufer. Die Flammen des Lagerfeuers vergoldeten sein Gesicht und verwandelten seine paprikaroten Haare in eine Feuerkrone.
»Hallo, schöne Fremde«, sagte er.
Diese Stimme kannte ich.
Es war Roux.
2
Freitag, 27. August
Joséphine begann zu erklären. »Ich habe mich auf die Suche nach dem Boot gemacht«, sagte sie. »Ich dachte, wenn ich es finde, stoße ich vielleicht auch auf eine Spur von Reynaud.« Sie zuckte die Achseln. »Aber stattdessen habe ich Roux gefunden. Und diese Frau, du weißt schon, war bei ihm.«
Roux lächelte. Er hat ein bezauberndes Lächeln, mühelos und gleichzeitig irgendwie schüchtern, ein Lächeln, das immer auch seine Augen erreicht. Diesmal war da aber noch eine Frage in seinen Augen. Ich kletterte auf den Landesteg und fiel ihm um den Hals. Er roch nach Lagerfeuer und nach etwas, das ich nicht richtig identifizieren konnte, das mir aber so vertraut erschien wie das Geräusch des Windes. Vielleicht war es der Geruch von zu Hause. Meine Lippen fanden seine, und wir küssten uns. Erst mal war damit die Frage beantwortet.
Ich sagte: »Machst du eigentlich je dein Handy an?«
Er grinste wieder. »Ich hatte das Ladegerät verlegt. Und als ich deine Botschaften endlich gelesen habe …«
»Ist nicht mehr wichtig. Jetzt bist du ja hier. Aber wo ist Inès?«
Nun erzählte Roux seine Geschichte. Er war vor zwei Tagen mit dem Zug nach Süden gefahren und hatte in Agen Freunde getroffen. Jeder auf dem Fluss kennt Roux. Von der Garonne bis zum Haut-Tannes hat er praktisch auf jedem Boot gearbeitet, und die Leute vertrauen ihm instinktiv. Flussabwärts, gleich außerhalb von Agen, fanden sie das schwarze Boot, an Bord befanden sich Inès und Du’a. Roux erkannte das Boot sofort, reparierte den Motor und steuerte es nach Hause.
»Aber was ist mit Inès?«
Er zuckte die Achseln. »Sie hat gesagt, hier hätte sie Probleme gehabt. Eigentlich wollte sie das Boot gar nicht entführen. Aber als es dann plötzlich flussabwärts trieb, hatte sie keine Ahnung, wie sie es zurückbringen soll.«
»Das hat sie dir alles erzählt?«
»Ja, klar. Was ist daran so verwunderlich?«
Es
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