Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
ich.
»Nein. Ich habe nur den anderen Priester getroffen, diesen Père Henri. Er hat sich richtig auf mich gestürzt und mir versichert, dass er meine Lebensführung respektiert und auch die der fahrenden Leute, und als Nächstes wollte er wissen, wann wir weiterziehen.«
Ich musste lachen. »Also alles wie gehabt.«
»Na ja, Reynaud war dagegen wenigstens ehrlich.«
»Meinst du, Père Henri ist das nicht?«
Roux zuckte die Achseln. »Ich finde, er hat zu viele Zähne.«
Anouk schlang ihr Frühstück in drei Bissen hinunter, dann rannte sie los, um sich mit Jeannot zu treffen. Seit Jean-Loup sich bei ihr gemeldet hat, ist ihr anderer Freund wieder die Nummer eins. Ihre Farben sind frisch und grün und klar, wie unschuldige junge Liebe.
Rosette schaute immer wieder in eine der engen Passagen, die zum Boulevard hinaufführen. Ich fragte sie, was es da zu sehen gab.
Maya, zeigte sie. Foxy.
»Ach so. Du kannst ihn also auch sehen?«
Nein. Er lebt in einem Loch.
»In einem Fuchsbau?«
Nein. Er möchte raus.
»Verstehe.« Wie Bam und Pantoufle besitzt auch Foxy schon interessante Charaktermerkmale. Bam hat etwas Freches, Übermütiges und spiegelt Rosettes sprunghaftes Wesen wider. Pantoufle ist ein freundlicher Begleiter. Und Foxy scheint Mayas rebellische Eigenschaften zu personifizieren – vielleicht spürt sie ja bereits den ganzen Regelkanon und die Einschränkungen, die sie umgeben. Dazu würde auch passen, dass sie sich einen Fuchs ausgesucht hat, das Lebewesen, das dem Hund am nächsten ist.
Ich ging zum Boulevard und sah Maya, die mir in ihren Disney-Sandalen und dem Aladin-T-Shirt entgegenkam. Sie winkte mir vergnügt zu, bevor sie in der Passage verschwand. Aber etwa dreihundert Meter hinter ihr erschien eine kleine Gruppe, die zielstrebig auf den Anlegesteg zusteuerte. Von weitem hatte man den Eindruck, als kämen vier Schachfiguren angestürmt – drei schwarze Bauern und ein alter weißer König.
Der König war Mohammed Mahjoubi. Ich erkannte ihn an seinem weißen Bart und seiner Leibesfülle, dem würdevollen Gang und der weißen djellaba, die er immer trägt. Die Bauern waren Frauen, alle in einen niqab gehüllt. Aus der Ferne konnte ich sie nicht unterscheiden. War Inès mit dabei? Eine Spannung ging von dieser Gruppe aus, wie von einem Magneten, der Eisenspäne anzieht. Die ganze Straße entlang klapperten Fensterläden, öffneten sich Türen, traten Leute heraus, um ihnen nachzublicken.
Roux beobachtete die Szene ebenfalls und grinste mich an. »Meinst du, das ist unser Begrüßungskomitee?«
Tja, es war leider alles andere als ein Begrüßungskomitee. Als die vier den Anlegesteg erreichten, hatten sich ihnen bereits mehrere andere Personen angeschlossen. Ich erkannte Alyssa, Sonia und ihre Mutter, und von der anderen Seite näherte sich Saïd Mahjoubi – noch ein König. Außerdem waren Omi und Fatima dabei, Zahra in ihrem üblichen niqab und ein Stückchen hinter ihnen Karim Bencharki. Er trug wie immer Jeans und T-Shirt und wirkte wütend, aber beherrscht.
Omi begrüßte mich mit ihrem heiseren Lachen. »Hii, was für ein Zirkus!«
»Was ist denn los?«
Sie hatte gar keine Zeit, mir zu antworten. Kurz vor dem Steg ließ Karim eine Wortsalve auf Arabisch los und steuerte dann direkt auf das Hausboot zu. Der alte Mahjoubi trat ihm in den Weg. Karim wollte ihn beiseitestoßen.
»Was zum Teufel ist hier los?«, mischte sich Roux ein.
Saïd musterte ihn kurz und verkündete dann: »Die Hausboote können nicht hierbleiben. Das ist alles Privatbesitz.«
»Tatsächlich?« Roux ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Der curé meinte nämlich, wir können unbegrenzt bleiben.«
»Der curé?«
»Ja, Père Henri«, antwortete Roux.
Es folgte ein Wortwechsel auf Arabisch. »Ich rede mit Père Henri«, sagte Saïd dann zu Roux. »Vielleicht hat er nicht richtig überlegt, welche Auswirkungen das auf unsere Gemeinde hat.«
Der alte Mahjoubi schüttelte den Kopf. »Es ist Ramadan«, sagte er. »Jeder ist willkommen, man muss sich nur gegenseitig respektieren.« Nun wandte auch er sich an Roux. »Bleiben Sie, solange Sie wollen.«
»Ich glaube nicht, dass –«, begann Saïd verärgert, aber der alte Mann unterbrach ihn.
»Sollen wir die Gastfreundschaft verweigern?« Er sprach leise, aber trotzdem spürte man seine Autorität. Saïd warf ihm einen verärgerten Blick zu, doch der alte Mahjoubi lächelte nur.
»Also gut«, sagte Saïd nach kurzem Zögern. »Was mein Vater sagt, ist
Weitere Kostenlose Bücher