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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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was ist mit Inès und Du’a? Gehen sie ihm ganz bewusst aus dem Weg?
    Zahras dunkle Augen musterten mich kritisch. So ähnlich hatte sie mich gestern angeschaut, als wir uns zufällig hinter dem Gym begegnet waren. Hat sie wirklich die Sachen des alten Mahjoubi dort hingebracht? Oder ging es um Inès?
    Ich schaute zu dem Minarett oben am Boulevard. Schlank, elfenbeinfarben, elegant. Gekrönt mit der silbernen Mondsichel. Und auf der anderen Seite des Flusses der kompakte kleine Turm von Saint-Jérôme, schmucklos, stur und schlicht. Zwei Türme, die sich am Tannes gegenüberstehen wie Schachfiguren.
    »Du weißt, wo sie ist, stimmt’s?«, fragte ich Zahra.
    Sie nickte. »Ja, ich habe sie gestern Abend gesehen. Ich habe ihr von deinem Freund Reynaud erzählt und überhaupt alles, was hier passiert ist. Und danach habe ich mit Sonia geredet.« Sie schaute Sonia an, dann wechselten die beiden ein paar Sätze auf Arabisch.
    »Was sagt sie? Hat sie Reynaud gesehen?«
    »Nein.« Zahra schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß, wo er ist. Sei mir nicht böse, Vianne, ich habe es fast von Anfang an gewusst.«
    Ich war fassungslos. »Aber … warum?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich dachte, ich müsste Inès schützen.«
    »Und jetzt?«
    Lächelnd sagte sie: »Und jetzt will sie mit dir sprechen.«

5

    Samstag, 28. August, 10:00 Uhr
    Zehn Uhr. Die Messe ist zu Ende. Selbst hier, im Bauch des Walfischs, verhöhnt mich Père Henri. Meine Glocken würde ich überall erkennen. Ihr Klang ist unverwechselbar. Und gleich wird sich Père Henri in meinen Beichtstuhl setzen, sich die Geheimnisse der Leute anhören, Ave-Maria verteilen und mir auch da meinen Platz streitig machen.
    Es klopfte an das Gitter. Wieder Maya. Das heißt Maya und Rosette, vier kleine Füße, zwei mit Prinzessinnen geschmückt, zwei in zitronengelben Stiefelchen. Und eine etwas zerzauste Katze, die Maya fest an sich drückte, weshalb das arme Tier jämmerlich maunzte.
    »Du hast also die Katze gefunden. Sehr gut.«
    Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Ja. Gestern Abend. Ich habe sie gleich zu jiddo gebracht.«
    »Großartig.« Ich fühlte mich allerdings überhaupt nicht wohl. In meinem Kopf drehte sich alles, und ich hatte solche Halsschmerzen, dass ich kaum einen Ton herausbrachte. »Was kommt als Nächstes? Ein Pony? Eine Audienz beim Papst? Ein singender Hut?«
    »So ein Quatsch. Hüte können nicht singen.«
    Ich musste mich zusammennehmen. Wahrscheinlich habe ich Fieber und bin deshalb total verrückt. Der Impuls zu lachen war fast unwiderstehlich – dabei bin ich niemand, der schnell lacht, mon père. Aber ich dachte an Karim Bencharkis Drohungen und schaffte es schließlich, mich wieder einigermaßen zu konzentrieren.
    »Bitte, Maya. Hast du Vianne gesagt, wo ich bin?«
    »Mhm. Ich hab ihr alles erzählt.«
    »Und – was hat sie gesagt?«
    »Sie hat gesagt, das ist ja schön.«
    Ich nahm noch einmal Anlauf. »Hör zu, Maya. Ich bin kein Dschinn. Karim Bencharki hat mich hierhergebracht.«
    Maya legte den Kopf schräg. »Wenn du kein Dschinn bist«, sagte sie, »wie kannst du dann Wünsche erfüllen?«
    »Maya! Hör mir doch bitte zu!«
    »Mein dritter Wunsch …«
    Gegen die unerbittliche Logik eines Kindes kommt man nicht an. Plötzlich war ich das erste Mal seit Jahrzehnten den Tränen nahe. »Bitte, Maya. Ich bin krank. Ich friere, ich habe Schmerzen. Und ich habe Angst, dass ich hier sterben muss.« Das schmale Gitter war zu einem Beichtstuhlfenster geworden. Aber diesmal war ich der Sünder und Maya der Beichtvater. Absolut lächerlich, doch ich konnte mich nicht mehr bremsen. Vielleicht, weil ich Fieber hatte, vielleicht, weil ein fünfjähriges Mädchen immer noch besser war als niemand. »Ich bin Priester, und ich habe Angst davor zu sterben. Wie absurd ist das denn? Aber ich habe noch nie an das Paradies geglaubt. Jedenfalls nicht richtig. Nicht tief in meinem Herzen. An die Hölle kann ich schon eher glauben. Aber der Himmel scheint mir etwas zu sein, womit man kleine Kinder tröstet, wenn sie sich nachts im Dunkeln fürchten. Im Glauben geht es um Gehorsam, um Regeln, darum, dass man sich an die Vorschriften hält. Sonst würde Anarchie herrschen. Jeder weiß das. Deshalb gibt es in der Kirche die Hierarchie, eine strikte Befehlspyramide. Jedes Mitglied hat seinen Platz und erfährt, was es wissen muss. Die Öffentlichkeit akzeptiert das, was wir bekanntgeben. Gott macht es genauso. Ordnung. Kontrolle. Gehorsam. Wenn wir den

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