Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
die Mütter und ihre Kinder Kaffeevormittage organisierte, im Namen einer entente cordiale, als wäre sie eine Sozialarbeiterin in Paris und nicht eine kleine Provinzhausfrau.
Ich erzähle das alles, père, um Ihnen zu zeigen, dass diese Menschen nicht unwillkommen waren. Ja, ich habe mich in der Vergangenheit oft der Intoleranz schuldig gemacht, und das versuchte ich nun wieder auszugleichen. Als Jean-Pierre Acheron die Mauer von Saïd Mahjoubis Gym vollschmierte, war ich es, der eingriff und Jean-Pierre zwang, das Graffito abzuwaschen. Als Joline Drou sich weigerte, Zahra Al-Djerba zu unterrichten, weil sie ihr Kopftuch nicht ablegen wollte, wies ich sie darauf hin, dass die Grundschule in Lansquenet, in der es nur einen einzigen Klassenraum gibt, doch kein Pariser Lycée ist – und Joline selbst trägt ein kleines goldenes Kreuz um den Hals, das sie bei einer strengen Auslegung der Vorschriften ja ebenfalls am Eingang zum Schulhof ablegen müsste.
Kurz gesagt – vielleicht klinge ich nicht ganz überzeugend, aber ich bin den Neuankömmlingen wirklich mit höchstem Respekt begegnet. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die schnell Kontakte knüpfen und mühelos Freundschaften schließen, doch gegen diese kleine Gemeinde in Les Marauds hatte ich nichts einzuwenden – im Gegenteil, ich fand, dass unsere Leute in mancher Hinsicht etwas von ihnen lernen konnten. Die Maghrebiner waren höflich, zurückhaltend, sie stifteten keine Unruhe. Die Kinder brachten ihren Eltern Achtung entgegen, die Erwachsenen behandelten die Kinder liebevoll und waren auf ihre Art fromm und bescheiden. Wenn es Probleme innerhalb der Gemeinde gab – Streit in der Familie, irgendwelche Bagatelldelikte, Unfälle oder wenn jemand starb –, kümmerte sich Mohammed Mahjoubi darum. Er war Priester, Arzt, Bürgermeister, Richter und Sozialarbeiter in einer Person. Seine Methoden konnte man nicht immer als konventionell bezeichnen, und es gab Leute (wie zum Beispiel Caro Clairmont), die fanden, er sei zu alt und zu exzentrisch, um eine so zentrale Führungsrolle auszufüllen. Aber im Grunde mochten alle im Dorf den alten Mahjoubi. Und in Les Marauds war sein Wort Gesetz, niemand stellte seine Autorität in Frage.
Dann kam die erste gravierende Neuerung. Seit seiner Ankunft hatte der alte Mahjoubi immer wieder davon gesprochen, eins der alten Häuser von Les Marauds in eine Moschee umzubauen. Soweit ich es mitbekam, war das Vorhaben allerdings viel zu kostspielig und deswegen sinnlos, selbst wenn man ein passendes Gebäude gefunden hätte. Die große Moschee von Bordeaux war ja nicht weit weg, und außerdem bestand die Gemeinde von Les Marauds nur aus einer Handvoll Familien – etwa vierzig Personen insgesamt.
Dieser Plan führte allerdings auf der anderen Seite des Flusses zu lebhaften Diskussionen. Es regte sich Widerstand, vor allem natürlich bei den streng katholischen Familien wie den Acherons und den Drous. Dass keine fünf Minuten von ihrer Kirche entfernt eine Moschee entstehen könnte, empfanden sie als persönlichen Affront, als Schlag ins Gesicht von Saint-Jérôme, wenn nicht sogar ins Gesicht Gottes.
Der alte Mahjoubi bat mich, in dieser Angelegenheit zu vermitteln. Ich stand seinem Plan nicht gerade wohlwollend gegenüber. Die Idee einer Moschee konnte ich nicht unterstützen – nicht weil ich etwas gegen Moscheen habe, sondern weil ich diese hier schlicht für überflüssig hielt.
Doch Mahjoubi wollte sich nicht geschlagen geben. Mit Hilfe seines Sohnes Saïd kaufte er eine der alten Gerbereien. Die Gemeindemitglieder spendeten Geld, es gab einigen Hickhack mit den lokalen Behörden, doch schließlich wurde – dank Georges Clairmont (versteht sich) und mit dem aktiven Einsatz freiwilliger Helfer aus Les Marauds – das baufällige Gebäude am Ende des Boulevards in eine Dorfmoschee verwandelt, die von nun an das Zentrum der Gemeinde bildete.
Sie müssen mir glauben, père, wenn ich sage, dass ich prinzipiell nichts gegen Moscheen habe. Sicherlich gab es bestimmte Dinge, auf die ich hinweisen musste, weil sie den regionalen Bauvorschriften widersprachen. Doch das waren Kleinigkeiten, und ich hob sie nur hervor, weil ich vermeiden wollte, dass sie später zu Ärger führten.
Das Ergebnis war natürlich recht bescheiden. Ein nichtssagendes altes Gebäude aus gelbem Backstein, dem man von außen nicht ansah, dass es ein Gebetshaus war. Im Inneren ein sehr schöner Raum, mit gefliestem Fußboden, die hellen Wände mit goldener
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