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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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herauszufinden.
    Warum war sie aus dem Haus ihres Bruders ausgezogen? Warum hatte sie sich entschieden, nicht mehr mit den anderen in Les Marauds zu leben?
    Aber sie gab nichts preis. Es wurden keine Waren geliefert. Kein Händler war zu sehen, kein Handwerker, keine Familie. Sie hatte öfter Besuch, immer nur Frauen, nur Maghrebinerinnen, alle mit Kindern. Die Mütter blieben nie besonders lange, wohl aber die Kinder – lauter Mädchen. Sie blieben oft den ganzen Tag. Manchmal waren es über zehn Kinder. Wegen ihrer Kleidung erkannte ich die meisten Mädchen nicht, genauso wenig wie die Mütter, und es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff, dass die Frau eine Schule eröffnet hatte.
    Französische Schulen – jedenfalls die staatlichen – sind absolut weltlich. Keine religiöse Ausrichtung, keine Gebete, keine Glaubenssymbole jedweder Art. Mädchen wie Sonia und Alyssa Mahjoubi waren damit gut zurechtgekommen. Aber andere Mädchen fanden es schwieriger, und mir war aufgefallen, dass zum Beispiel Zahra Al-Djerba nicht auf die weiterführende Schule ging, sondern zu Hause blieb, um ihrer Mutter zu helfen. Unsere winzige Dorfschule hatte sich darauf eingestellt. In größeren Ortschaften, beispielsweise in Agen, gab es allerdings immer Schwierigkeiten mit dem Kopftuch. Doch nun sah es so aus, als hätte Les Marauds eine Lösung gefunden.
    Die Schülerinnen waren fast alle gleich gekleidet: schwarz, die Haare mit einem Kopftuch bedeckt. Kleine Witwen, viel zu früh, die Gesichter hielten sie stets scheu abgewandt. Die Kopftücher sind zwar auch meistens schwarz, aber es gibt verschiedene Arten, sie zu tragen, manche werden geknotet, andere mit Nadeln festgesteckt, manche kunstvoll geschlungen, andere um einen Nackenknoten gewickelt, und wieder andere werden züchtig wie eine Nonnenhaube um den Kopf gebunden.
    Sie redeten natürlich nicht mit mir, diese Mädchen. Manche warfen neugierige Blicke auf die Kirche mit ihren weiß verputzten Mauern, dem hohen Turm und der Statue der Heiligen Jungfrau, die etwas wackelig über dem Hauptportal steht. Komisch ist allerdings, wie selten wir die Mädchen jetzt auf unserer Seite des Flusses zu sehen bekommen. Ein Vierteljahr nach Eröffnung der Schule habe ich fünfzehn maghrebinische Mädchen gezählt, alle so zwischen zehn und sechzehn Jahre alt. Sie kamen immer als Gruppe in die Schule und tuschelten und kicherten hinter vorgehaltener Hand, wenn sie die Brücke nach Lansquenet überquerten.
    In Les Marauds herrschte inzwischen ein munteres Treiben. Es wimmelte regelrecht von Menschen, hundertfünfzig Einwohner oder mehr, Marokkaner, Algerier, Tunesier, Berber – was jemanden, der Paris oder Marseille gewohnt ist, natürlich nicht besonders beeindrucken kann. Aber in Lansquenet-sous-Tannes ist das ein halbes Dorf.
    Warum hier? In unseren Nachbardörfern gibt es keine ethnischen Gruppen. Vielleicht liegt es an der Moschee. Oder an der kleinen Schule. Vielleicht aber auch daran, dass eine ganze Straße zur Verfügung steht. Jedenfalls haben sich unsere Neuankömmlinge in weniger als acht Jahren vermehrt wie der Löwenzahn im Frühjahr, und dadurch hat sich Les Marauds, das früher ein bunter Teil des Dorflebens war, in eine fremde Welt verwandelt.
    Ich sah zu, wie Vianne Rocher die neue Wirklichkeit auf sich wirken ließ. Die schmalen Straßen haben sich in den letzten zweihundert Jahren kaum verändert. Aber sonst ist alles anders. Das Erste, was einem Gast auffällt, sind die Gerüche: wohlduftender Rauch, nicht genau identifizierbare Gewürze. Zwischen den Balkonen sind Wäscheleinen gespannt. Männer in langen Gewändern und mit Gebetsmützen auf dem Kopf sitzen auf den Terrassen und trinken Tee. Frauen sind nicht dabei. Die Frauen sind meistens im Haus, und heutzutage trägt die Mehrzahl von ihnen Schwarz. Die Kinder sind auch getrennt: Die Jungen spielen Fußball oder schwimmen im Tannes, die Mädchen helfen ihren Müttern, passen auf die jüngeren Geschwister auf oder stehen in Grüppchen zusammen und gackern – aber sobald sie mich kommen sehen, verstummen sie. Man spürt überdeutlich, dass sie für sich bleiben wollen. Heute natürlich noch stärker als sonst. Ich vermute, dass nach dem Brand in dem Laden die Dorfklatschbasen gute Arbeit geleistet haben.
    Wir gingen an den kleinen Läden am Boulevard des Marauds vorbei. Alle geschlossen und verriegelt. Es war Viertel vor acht, der heiße Wind hatte sich gelegt, die ersten Sterne blinkten am Himmel, der dunkelblau

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