Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
will, ob das eine Sünde ist? Oder dass Guillaume Duplessis immer noch für die Seele eines Hundes betet, der vor mehr als acht Jahren gestorben ist, und dass ich, Gott möge es mir verzeihen, ihn in dem Glauben lasse, Tiere hätten vielleicht tatsächlich eine Seele und könnten ins Paradies eingehen.
Egal, was für Schwächen und Fehler ich habe, père – ich weiß, was Schuldgefühle sind. Und ich weiß auch, dass manche Probleme nicht mit PowerPoint gelöst werden können. Auch nicht von einem Bischof, nebenbei bemerkt.
»Sie wissen ja, woran das liegt, Francis«, sagte Père Henri und holte mich mit dieser Bemerkung zurück in die Wirklichkeit. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich ein paar Sekunden brauchte, um zu begreifen, was er meinte. Er hat meine Aufgaben übernommen, weil ich, seiner Einschätzung nach, aufgrund der Gerüchte im Zusammenhang mit dem Brand in der alten Chocolaterie nicht gut dastehe. Vermutlich stammt diese Idee von Caroline Clairmont, einer Frau, die fest an den Fortschritt glaubt und in Père Lemaître einen Gleichgesinnten sieht – und eine mögliche Sprosse auf der Erfolgsleiter. Sie hat gesehen, was dieser Mann in zwei Wochen leisten kann. Zu wie viel mehr dürfte er dann erst in einem halben Jahr fähig sein?
Père Henri folgte mir in die Küche und nahm Platz, ohne dass ich ihn dazu aufforderte.
»Machen Sie es sich bequem«, sagte ich. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Ja, gern.«
»Es ist immer noch meine Gemeinde«, sagte ich, während ich zwei Tassen füllte. Er trinkt seinen Kaffee mit Milch, ich trinke ihn lieber schwarz. »Zucker habe ich leider nicht im Haus.«
Wieder dieses Lächeln. »Kein Problem«, sagte er. »Ich sollte sowieso lieber keinen nehmen.« Er tätschelte seinen Bauch. »Man muss auf die Figur achten, stimmt’s, Francis?«
Mein Gott, er klingt schon wie Caro. Ich trank meine Tasse in einem Zug leer und füllte sie wieder. »Es ist immer noch meine Gemeinde«, wiederholte ich. »Und ich habe nicht die Absicht, von hier wegzugehen, es sei denn, ich werde von einem Gericht schuldig gesprochen und nicht nur aufgrund von Tratsch und Spekulationen.«
Er weiß natürlich, dass das nicht geschehen wird. Die Polizei hat schon mit mir gesprochen, es gibt keinerlei Indizien, die mich mit diesem Feuer in Verbindung bringen, und auch wenn die Gerüchteküche von Lansquenet unvermindert weiterbrodelt, hat der Rest der Welt jedes Interesse an dem Fall verloren.
Père Lemaître musterte mich prüfend. »Ganz so einfach ist es nicht. Sie wissen so gut wie ich, dass ein Priester über jeden Zweifel erhaben sein muss. Und in einer so heiklen Situation, zudem wenn eine andere Kultur beteiligt ist …«
»Ich habe kein Problem mit ›anderen Kulturen‹, wie Sie das nennen«, entgegnete ich, um Beherrschung bemüht. »Es ist sogar so, dass …« Den Rest des Satzes sprach ich nicht aus. In der Hitze des Augenblicks hätte ich ihm fast erzählt, was gestern Nacht passiert ist. »Wenn es Feindseligkeiten gab«, fuhr ich schließlich mit ruhiger Stimme fort, »dann gingen die ganz allein von den Leuten in Les Marauds aus, wo der alte Mahjoubi alles tut, um mich zu provozieren.«
Père Henri Lemaître grinste. »Ja, der alte Mann ist ziemlich unflexibel. Andere Zeiten, andere Sitten. Mit dem Neuen dürfte es etwas unkomplizierter werden.«
Ich schaute ihn an. »Dem neuen was?«
»Ach, wissen Sie das noch nicht? Der Sohn des alten Mahjoubi, Saïd, übernimmt seine Funktion in der Moschee. Anscheinend hat der alte Mann mit seinen komischen Marotten schon länger für Unruhe gesorgt. Manche Leute waren ziemlich aufgebracht. Sie selbst eingeschlossen, versteht sich«, sagte er und entblößte wieder seine Zähne.
Ich überlegte einen Moment. Auf die Idee, dass der alte Mahjoubi auch in Les Marauds Gegner haben könnte, war ich noch nicht gekommen. Aber kann Saïd Mahjoubi die notwendigen Veränderungen herbeiführen?
»Saïd ist ein vernünftiger Mann«, sagte Père Henri zufrieden. »Er versteht seine Mitbürger. Er hat Führungsqualitäten, er ist progressiv und wird überall respektiert. Ich denke, wir werden es viel leichter finden, mit ihm einen Dialog zu führen als mit seinem Vater.«
Leute wie Père Henri Lemaître verwenden nie einfache Formulierungen. Sie sagen Sachen wie »einen Dialog führen« statt »reden«. Und ich hatte den dringenden Verdacht, dass sich hinter Père Henris Worten eine Spitze gegen mich verbarg. Er gibt mir immer wieder
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