Himmlische Verfuehrung
dich doch einladen“, protestierte ich.
„Und ich möchte die Rechnung übernehmen“, erwiderte er und schob dem Kellner das Geld hin. „Stimmt so“, sagte er an den Kellner gewandt. Dann stand er auf und ging zur Straße, wo er auf mich wartete. Leicht schmollend folgte ich ihm.
„Hast du noch Zeit oder musst du noch lernen“, fragte Sixt.
„Nein, ich habe noch Zeit. Wieso?“
„Wie wäre es mit einem Spaziergang durch den Wald?“
„Klar, ich bin dabei“, sagte ich und freute mich, dass ich noch mehr Zeit mit ihm verbringen konnte. Das war ein kleiner Trost dafür, dass er das Eis bezahlt hatte und nicht ich, wie ich es eigentlich geplant hatte. Wir gingen zusammen in den Forest Park, dem größten Stadtwald in Portland. Hier gab es Wander- und Radwege oder man konnte sich auch einfach nur erholen und die Natur genießen.
„Komm ich zeige dir etwas.“ Sixt führte mich vom Weg ab durch Büsche und an den Bäumen vorbei bis zu einem See. Hier war es sehr friedlich, ruhig und es schien so, als kämen hier kaum Leute vorbei. Er setzte sich auf einem Baumstamm, der am Ufer lag, und gab mir ein Zeichen, dass ich mich neben ihm setzen sollte. Das tat ich und schaute über den See, der von Bäumen umringt war. Ab und zu tauchte zwischen den Bäumen ein Busch auf.
„Es ist sehr schön hier“, sagte ich und sah zu Sixt.
„Ja. Ich bin gerne hier, wenn ich mal abschalten möchte. Der See hat etwas Beruhigendes.“ Er schaute mir tief in die Augen. Mein Herz schlug schneller und in meinen Bauch flatterten Schmetterlinge. Sixts Gesicht kam immer näher zu mir heran. Sein Blick hatte etwas Hypnotisches. Er zog mich regelrecht an und sein Geruch vernebelte mir die Sinne. Er nahm meine Hand. Das Kribbeln im Bauch nahm zu. Seine Hand war warm, und obwohl sie grob aussah und die Adern auf seinem Handrücken zu spüren waren, war sie sanft und weich. Plötzlich hielt er inne. Seine Augen weiteten sich. Sein Körper war angespannt. In seinem Blick lag Entsetzen. Und dann zog er mich in Windeseile von dem Baumstamm, sodass ich ins Gras fiel, und warf sich schützend auf mich. In dem Moment knallte ein dicker Ast vom Baum herunter und krachte mit einem lauten Knall gegen den Baumstamm. Genau da, wo wir beide zuvor gesessen hatten. Erschrocken blickte ich zu dem großen Ast. Der hätte uns beide wahrscheinlich erschlagen. Ich schaute zu Sixt, der sich aufgesetzt hatte und mit einem ausdruckslosen Blick in die Bäume schaute, als suchte er dort jemanden. Mir war ein wenig schwindelig.
„Was ... was war das? Wo ... woher wusstest du ... das“, stammelte ich.
„Ich habe es knacken gehört und sofort geschaltet“, sagte er und schaute dabei immer noch in die Bäume. Dann sah er zu mir herüber, als ob ihm etwas eingefallen wäre. „Geht es dir gut? Hast du dich verletzt“, wollte er wissen.
„Nein. Mir geht es gut. Nur etwas schwindelig.“
„Komm ich bringe dich nach Hause.“
„Gut“, sagte ich. Der Schock saß immer noch in meinen Knochen. Sixt half mir beim Aufstehen und legte mir einen Arm um die Schulter um mich zu stützen. Dann ging er im schnellen Schritt zurück zum Auto. Immer wieder sah er sich dabei um. Ich hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten. Ich fragte mich, was los war. Warum hatte er es denn so eilig? Ein Ast brach zwar nicht einfach so ab, aber es konnte doch schon passieren. Beim Sturm zum Beispiel, auch wenn es in den letzten Tagen keinen gegeben hatte. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Mensch auf den Baum geklettert war und den Ast abgebrochen hatte und das ausgerechnet dann, wo wir unter dem Baum gesessen hatten. Am Wagen hielt er mir die Tür auf und ich stieg ein. Als er anschließend ebenfalls im Auto saß, fuhr er los.
„Wie geht es dir“, fragte er und in seiner Stimme lag Sorge.
„Es geht wieder. Der Schwindel ist weg. Ich verstehe immer noch nicht, was das gerade war. Du hast so schnell reagiert. Das war nicht menschlich. Woher wusstest du, dass der Ast herunterkommt? Ich habe kein Knacken gehört. Und blitzschnell hast du mich vom Stamm gezogen. Wie geht das?“ Meine Fragen sprudelten nur so aus mir heraus. Ich schaute ihn an, um zu sehen, wie er reagierte. Aber er blieb ganz ruhig, als er mir antwortete. Den Blick dabei auf die Straße gerichtet.
„Anscheinend habe ich ein gutes Reaktionsvermögen. Und mein Gehör scheint auch besser zu sein als deines. Du solltest mal zum Ohrenarzt gehen.“ Er wich mir aus. Seine Augen waren noch immer
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