Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
anderen musst du Sex haben. Du bist frei; leidenschaftlich berührt, aber frei. Das kann dir auch geschehen beim Lächeln eines wildfremden Kindes oder angesichts eines zarten Nebelschleiers im Tal oder einer Melodie, die in dein Ohr dringt oder ...
Mit wachsender erotischer Reife wirst du immer empfänglicher für die Schönheit der Welt. Du lässt dich bewegen und berühren. Und weil sich alles da draußen auch in deiner Seele spiegelt, wirst du immer mehr in ihr heimisch. Bis du ihren letzten Winkel erkundet hast oder dir doch wenigstens dessen bewusst bist, wo die noch dunklen Winkel in ihr liegen. Mit diesem zunehmenden Bewusstsein deiner selbst wächst, erhellt und entfaltet sich deine Seele. Ihr Volumen wird immer größer – wie bei einem Luftballon. Und so werden auch die Berührungspunkte mit anderenMenschen und zur Welt, die dich umgibt, immer mehr. So dehnt sich deine Liebe aus und wird ganz weit – raumgreifend.
Auf diesem Weg muss du nichts überwinden und bekämpfen. Es ist ein Weg der Transformation, nicht der Askese; ein Weg der Integration und nicht der Überwindung. Denn was du als junger Mensch schön fandest – ein schönes Mädchen, ein schöner Junge – wird nicht weniger schön werden dadurch, dass du die Schönheit des Lebens auch in anderen Menschen, Tieren, Bäumen und Luftzügen wahrnimmst und fühlst. Nur kannst du dich gelassener daran erfreuen. Auch der knackige Hintern muss nicht an Reiz einbüßen, nur weil du gelernt hast, auch angesichts eines Sommerregens oder des Lichtreflexes in einer Pfütze in die Liebe zu fallen …
Das ist ein ganz natürlicher Prozess, wie auch Diotima andeutet. Eigentlich hat Mutter Natur die erotische Reife in jedem und jeder von uns angelegt: Klar, in der Pubertät begehren wir leidenschaftlich-körperlichsexuell. Schöne Körper machen uns an. Geil! – Tja, und dann liegt es in der Natur der Sache, dass unsere Lust am Sex irgendwann dazu führt, dass kleine neue Wesen dabei herauskommen. Nun verlangen die unsere Aufmerksamkeit, und siehe da: Sie sind sogar schön. Wir verlieben uns in sie. Also: Nicht nur ein schöner Körper, sondern erst zwei, dann drei, dann vier … Gerade in dieser Phase des Lebens brauchen wir Partner, auf die wir uns verlassen können, mit denen wir Intimität und Sexualität teilen können und die wir als treue und verlässliche Begleiter in unserem Leben schätzen und lieben. Deshalb ist es nur stimmig und natürlich, wenn wir in der Familienphase, wo wir den Horizont des Eros zum ersten Mal vom Körperlich-Sexuellen lösen und unser Herz unseren Kindern schenken, feste Beziehungen von Ich zu Ich eingehen. Denn gerade wenn Kinder da sind, geht es gar nicht anders: Meine Frau (oder mein Mann) muss sich auf mich verlassen können. Die Kids brauchen ein stabiles Zuhause. Wir alle brauchen ein solides materielles Fundament. Völlig richtig, völlig okay. Wir brauchen ein starkes Ich, denn ein starkes Ich schafft Verlässlichkeit und Sicherheit. Und genau das ist jetzt dran. – Das ist auch dran, wenn keinNachwuchs kommt, weil es immer nützlich ist, sich auf dem Weg durchs Leben eine solide Plattform zu schaffen. Dafür darf das Ich wachsen. Es wird ehrgeizig, will Karriere machen, sich Besitz erwerben – alles völlig okay; nicht nur weil die Kinder so etwas brauchen, um entspannt aufwachsen zu können, sondern auch weil jeder Mensch einen soliden Rahmen braucht, um entspannt reifen zu können. Es gibt Phasen im Leben, da ist Soliditiät angesagt – und diese Phasen zu durchlaufen, ist Teil unseres erotischen Reifeprozesses. Nur: Es wäre jammerschade, wenn wir in dieser Phase steckenbleiben – was leider viel zu oft geschieht.
Tatsächlich ist es ein grandioser Irrtum zu glauben, wir würden uns, wenn wir – traditionell gesprochen – das Programm „Verliebt, verlobt, verheiratet, Familie gegründet“ absolviert haben, nicht mehr verlieben und könnten nun den Eros schlafen legen. Nein, nein: Eros ist dann mitnichten am Ende. Im Gegenteil: Jetzt geht’s erst richtig los. Jetzt können wir uns freier verlieben. Denn unsere Grundbedürfnisse sind erfüllt. Wir können den Horizont unserer erotischen Leidenschaft weiten und den Eros in einer reiferen und freieren Weise leben, als dies in jüngeren Jahren möglich war. – Warum? – Weil wir älter werden und weiter in der Welt herumkommen. Weil unser Horizont somit immer weiter wird; und weil uns gleichzeitig die ersten seelischen und gesundheitlichen Krisen
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