Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
Verbundenheit in der Tiefe und nicht an der Oberfläche. Also wundern sie sich, wenn sie von Männern nur „konsumiert“ werden und ihre vermeintliche neu gewonnene Schönheit wie ein Strohfeuer verpufft.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber mir tut es in der Seele weh, das mitansehen zu müssen: dieses verzweifelte und dabei so ganz hoffnungslose Ringen um ein bisschen Liebe und Aufmerksamkeit. Dieses tragische Fixiertsein auf die Oberfläche, wo doch ein bisschen Mut reichen würde, um sich vom Eros in die Tiefe der Seele und des Lebens führen zu lassen – dorthin, wo gänzlich andere Schönheitsideale gelten als in der kommerzialisierten und pornographisierten Medienwelt.
Glatte Oberflächen
und kalte Körper
Am härtesten ist es, das Eis in den
Herzen der Menschen zu schmelzen.
Und nun ist die Zeit gekommen,
genau das zu tun
.
Aanaa Anaqqii
Nein, meine Liebe, ich glaube nicht, dass ich da schwarzsehe. Ich glaube, wir leben tatsächlich in einer pornographisierten Welt; einer Welt, in der Pornografie und Prostitution zu Grundmustern unserer Lebenswirklichkeit geworden sind – und in der es deshalb schwer ist, erotisch zu leben und sich ins Leben zu verlieben. Nun, mir ist klar, dass ich das erklären muss.
Pornographie ist plakativ, schamlos, ostentativ. Sie zerrt die Dinge ans Licht, voll ausgeleuchtet, grell, ohne schützende Schatten, ohne Verhüllung, ohne Andeutung, selbst die Scham ist noch rasiert. In Pornos wird dick aufgetragen. Marktschreierisch geht es dort zu – klar, denn die Pornographie will ja verkaufen. Ganz so wie in dem großartigen Film „Down by law“ von Jim Jarmusch, wo der Zuhälter Jack einer Hure die Decke auf die nackte Brust wirft und sie anherrscht: „Deck die Ware zu!“
Pornographie nimmt jedes Geheimnis und jedes Mysterium. Sie ist die Kunst der Oberfläche. Sie ist cool – so wie glatte Oberflächen eben kühl sind. Erotik ist das genaue Gegenteil. Eros richtet sich immer an die Seele, er sucht die Tiefe. Deshalb liebt er die Verhüllung, die Andeutung, das Geheimnis. Er zerrt nichts ans Licht, sondern hält es im Halbdunkel. Er bevorzugt das Flüstern und die stillen Winke. Erotische Kunst wahrt deshalb das Mysterium der Geschlechtlichkeit und hält es in der Schwebe. Sie enthüllt und verbirgt zugleich. Darin entspricht sie der Wirklichkeit desMensch-Seins. Denn auch das Leben hält sich in der Schwebe zwischen Verhüllung und Enthüllung.
Ich vermute, das ist der Grund dafür, warum dich Pornographie anwidert, während du dich für erotische Photographie begeistern kannst. Erotik lässt dir eine gewisse Freiheit; sie öffnet Raum für deine Phantasie und deine Kreativität. Sie lädt dich ein zum Spielen, sie lockt dich in die Tiefe, sie berührt dein Herz. Und wenn ihr das gelingt, ist sie sogar schön. Beispiele dafür gibt es genug. Pornographie dagegen ist ein Holzhammer: Sie setzt dir nacktes Fleisch vor die Nase und lässt dich dann damit allein. Sie erheischt einen Effekt an der Oberfläche, und alles andere ist ihr egal. So gesehen verhält sie sich zur Erotik wie der Kitsch zur Kunst: Effektheischerei ohne Tiefe, ohne Seele, ohne Herz.
Aber genau darin fügt sie sich passgenau in unsere kommerzialisierte Welt, die alles, was ihr in die Quere kommt, zur Ware macht – und möglichst zur Fläche, weil sie dann auch noch per Internet konsumiert werden kann: dem großen Tempel der Oberflächlichkeit. Man könnte auch sagen: dem großen Bordell, denn die Prostitution, als Zwillingsschwester der Pornographie, lebte schon immer davon, dass sie leibhaftige, vierdimensionale Frauen in zweidimensionalen Schatten oder Projektionsflächen männlicher Phantasien ummünzt und so warenförmig macht. Was wir im Internet auf Facebook oder anderswo erleben, ist davon gar nicht so weit entfernt. Deshalb glaube ich, dass Prostitution und Pornographie die Leitmetaphern für unsere kommerzielle Welt sind – und deshalb besteht meine große Hoffnung darin, Eros gegen diese das Leben so verkleinernden und demütigenden Mächte ins Feld führen zu können.
Aber dahin ist ein langer Weg, da hast du Recht. Der Trend scheint oft in die andere Richtung zu gehen: Nicht nur Millionen Männer, auch Frauen sind in der pornographischen Welt zuhause. Männer sind dabei in der Regel die Konsumenten und so gesehen diejenigen, die den Markt bevölkern. Aber die Frauen spielen unverdrossen mit. Sie lassen sich auf das Spiel der Oberflächen ein und stacheln das Konsumbedürfnis an,
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