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Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Titel: Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa von Heyden
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Er sagte dies lächelnd.
    Ich erinnere mich an den Unfall meines Vaters, den sowohl meine Mutter als auch Herr Böhm in ihren Aussagen erwähnten, beziehungsweise an den Abend danach. Mein Vater saß an seinem Schreibtisch, nur eine kleine Lampe brannte, der Rest des Zimmers war dunkel. Meine Mutter lehnte im Türrahmen und schaute ihn an. Beide sagten nichts und ich spürte, dass die Stimmung zwischen ihnen angespannt war. Als ich aus dem Badezimmer vom Zähneputzen kam, drehte sich meine Mutter zu mir um und sagte: »Komm und nimm mal deinen Papi in den Arm.« Ich kletterte zu ihm auf den Schoß und drückte ihn ganz doll, so wie wir es häufig in unserer Familie machten, weil es guttat. Allerdings hat mich sein Bart gepikst und ich zickte irgendwie rum, das weiß ich noch. Deshalb denke ich heute manchmal, dass ich schuld sei, nicht nur weil ich damals keine Hilfe geholt habe, sondern weil ich in diesem Moment nicht lieb war. Nach mir kamen meine Brüder und drückten ihn auch. Caro schlief schon, glaube ich. Mein Vater war an diesem Abend irgendwie steif. Er lächelte auf eine seltsame Art und Weise vor sich hin, war unnahbar.
    Das Protokoll geht über zur Beschreibung des Tatorts, also unserem damaligen Zuhause, das nach diesem Tag kein Zuhause mehr war. Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat, wahrscheinlich wieder der Polizist.
    Der Fundort liegt im Keller eines Wohnhauses in Lingen.
    Auf dem Boden im Keller liegt ein kleines Skalpell. Die Waschmaschine ist blutverschmiert, ebenso ein Kühlautomat.
    An der Wand ist eine Steckdose ohne Abdeckkappe. Im ganzen Raum ist Wäsche verteilt. Rechts neben der Eingangstür liegt eine Steckdosenabdeckkappe, die in viele kleine Teile zertreten ist.
    Die Leiche wurde vom Bestatter zur Leichenhalle des Alten Friedhofs in Lingen gebracht.
    Vor dem letzten Teil der Unterlagen aus der roten Mappe fürchte ich mich am meisten. Als sich Caro damals mit neun die Sachen durchlas, erzählte sie mir einmal, dass der Autopsiebericht das Schlimmste wäre.
    Die Leichenschau wurde um 15 Uhr durchgeführt. Nur zwei Stunden nach dem Tod? Das verwundert mich. »So schnell geht das?«, frage ich mich selbst laut. Ein Arzt namens Dr. Müller schreibt:
    Vor mir liegt in Rückenlage die Leiche einer circa 1,80 Meter großen männlichen Person. Sie ist gut genährt und nur mit einer blauen Turnhose bekleidet. Die Leiche wird vollständig entkleidet.
    Der Kopf ist fühlbar fest und lässt sich in den natürlichen Grenzen bewegen. An der linken Seite ist eine circa zwei Zentimeter große Hautabschürfung. Die Augen sind klar und die Pupillen sind stark erweitert und gleich groß. Mund, Nase und Ohren sind frei von Fremdkörpern. Im Mund befinden sich mehrere Goldkronen und Goldplomben.
    Der Leichnam hat nicht eingekotet. Der Oberkörper ist nur spärlich behaart. Circa 3,5 Zentimeter links von der rechten Brustwarze ist ein 1,5 Zentimeter breiter Einstich in Halbmondform. Circa zwei Zentimeter rechts unterhalb der linken Brustwarze ist ein circa 1,8 Zentimeter langer Schnitt. Circa vier Zentimeter rechts von der linken Brustwarze ist über dem anderen Schnitt ein circa 1,5 Zentimeter langer Schnitt. Zwischen diesen beiden Einstichen sind ein 7 Millimeter und ein 4 Millimeter langer Einstich. Etwa auf halber Höhe zwischen Brustbein und Bauchnabel befindet sich ein circa 4 Millimeter langer Einstich. Außerdem ist 12 Zentimeter unter der linken Brustwarze zur Mitte hin ein circa 1,1 Zentimeter langer Einstich.
    In der rechten Armbeuge ist eine circa 5 Zentimeter lange und circa 2 Zentimeter breite Schnittwunde. Die Wunde hat zwei Schnittenden auf jeder Seite. In der linken Armbeuge ist eine circa 3,5 Zentimeter lange und 1,5 Zentimeter breite Schnittwunde. Diese Wunde hat an beiden Seiten jeweils drei Schnittenden, ähnlich dem Schwanz einer Schwalbe.
    Unterhalb des Bauchnabels ist der Leichnam blutverschmiert. Besonders die Beine sind voller Blut, das bereits angetrocknet ist. Die Leichenstarre bildet sich an den Schultern, Armbeugen und dem Kinn aus. Leichenflecke sind noch nicht vorhanden.
    Die Leiche wird beschlagnahmt. Die Identifizierung erfolgte durch die Ehefrau.
    Ich lege die Unterlagen zur Seite und starre auf die rosa karierte Bettwäsche. Mein Vater hat nicht versucht, sich das Leben zu nehmen, er hat sich hingerichtet, denke ich. Er wusste, dass er aufgrund der Verletzungen an den Arterien und am Brustkorb nicht zu retten sein würde. Hat er währenddessen einmal an uns gedacht,

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