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Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Titel: Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa von Heyden
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daran, dass er uns niemals wiedersehen würde, wenn er sich das Messer wieder in seinen Körper sticht? Wenn Depressionen eine Krankheit sind, dann bekomme ich gerade eine Ahnung davon, was sie mit einem Menschen macht.
    Okay, bring es hinter dich, so viele Seiten sind es nicht mehr, denke ich und fühle mich dabei so, als ob ich bald selbst depressiv werde, wenn ich mich weiter mit dem Thema beschäftige. Aber ich muss durchhalten, allein schon wegen meiner Abschlussarbeit, die ich in gut drei Wochen abgeben muss. Nichts aus diesen Unterlagen werde ich in die Arbeit einfließen lassen. Ich glaube auch nicht, dass ich meinen Prüfern überhaupt etwas über meine Familie erzählen werde. Nachher denken die, ich mache das, um eine bessere Note zu bekommen. Das hier ist nur für mich.
    Die Ermittlungen der Polizei kommen zu folgendem Ergebnis:
    Nach den bisherigen Ermittlungen fügte sich Dr. Schulz gegen 12.50 Uhr im Keller seines Hauses in Lingen mehrere Schnitte und Einstiche mit einem Skalpell im Bereich der Armbeugen und der Brust zu. Im Todeskampf riss er die Abdeckung einer Steckdose ab.
    Circa um 13.10 Uhr fand ihn seine Ehefrau, die vorher beim Einkaufen gewesen war, blutüberströmt im Keller liegen. Sie verständigte die Polizei und ihren Bekannten, Herrn Böhm. Dr. Schulz starb kurz darauf.
    Das Tatmotiv ist mit größter Wahrscheinlichkeit eine schwere Depression. Dr. Schulz resignierte selbst vor kleinen Aufgaben, wenn sie nicht sofort gelangen. Nach Aussage der Ehefrau fand in den letzten Tagen vor seinem Tod ein totaler Persönlichkeitsverfall bei ihm statt.
    Da Dr. Schulz gegenüber seiner Ehefrau einige Tage vor seinem Tod geäußert hatte, dass der Verkehrsunfall, den er vor circa zehn Tagen hatte, kein Zufall gewesen war, verständigte sie den Psychologen Dr. Weiß. Mit diesem hatte Herr Schulz in dieser Woche ein persönliches Gespräch. Er sollte in der kommenden Woche eine Therapie bei ihm beginnen. Nach Aussage von Beamten der Polizei Lingen hatte sich der Verkehrsunfall, an dem Dr. Schulz allein beteiligt war, auf der Umgehungsstraße in Lingen ereignet. Er war gegen die Leitplanke gefahren. Anzeichen für ein Fremdverschulden ergaben die Ermittlungen nicht.
    Zusatzvermerk:
    Der Bestatter teilte mit, dass Frau Schulz für ihren verstorbenen Mann eine Feuerbestattung und ein Seebegräbnis wünsche. Herr Schulz habe schon früher ein Schreiben aufgesetzt, in dem er dies als seinen Wunsch äußerte.
    Mein Vater ist an einem Samstag gestorben. In der kommenden Woche hätte die Therapie angefangen. Das ist doch nicht zu fassen! Ich schmeiße die Unterlagen auf den Boden neben dem Bett. Mir wird klar, mit welcher Geschwindigkeit sich diese Tragödie ereignet hat. Im Frühling zogen wir vom Rheinland nach Lingen. Zwei Tage vor der Praxiseröffnung im Sommer lenkte mein Vater sein Auto in die Leitplanke. Danach sprach er mit Dr. Weiß und vereinbarte eine Therapie, die er aber nicht sofort beginnen konnte, weil der Psychologe in den Urlaub fuhr. Am Wochenende nahm sich mein Vater das Leben und war damit knapp eine Woche nach der Eröffnung seiner Praxis und drei Tage vor Therapiebeginn tot. Ich frage mich, wann mein Vater beschlossen hat zu sterben. Beim Psychologen? Beim Frühstück? Oder als er mir das Wasser in den Pool gelassen hat?
    Ich stehe auf, klaube den Autopsiebericht vom Boden und schnappe mir einen schwarzen Filzstift und ein Lineal, die seit meiner Schulzeit in einem Glas auf dem Schreibtisch einstauben. Dann stelle ich mich vor den großen Spiegel, der neben dem Bauernschrank an der Wand hängt, und ziehe mir mein vom Schlafen zerknautschtes T-Shirt über den Kopf. Ich lege das Lineal auf meinen Oberkörper auf und markiere die Stellen, an denen sich mein Vater geschnitten hat. Es sieht bestimmt nicht eins zu eins wie bei ihm aus, denn ich habe ja einen Busen. Zwei Striche befinden sich jeweils außen auf den Brüsten, einer in der Mitte, jeweils zwei in den Armbeugen, wobei ich mich frage, wie er es geschafft hat, dass die Einschnitte je zwei Zentimeter breit waren und die Form von Schwalbenschwänzen hatten. Mein Vater muss sich regelrecht in den Arm gesägt haben, wie sonst entstehen solche Wunden? Da er so viel Blut an den Beinen hatte, muss er erst gestanden haben, während er sich das Messer in die Brust stach und die Arme aufschnitt. Dann ist das Blut an ihm runtergelaufen, bis er keine Kraft mehr hatte und umfiel. Von dem Aufprall auf den Betonboden kam die Wunde an seiner

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