Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)
zu können. In Liebe, die auch in diesem schwarzen Loch, in das Du gefallen bist und in das Du einen Teil von mir mitgenommen hast, noch so viel geben kann, das man nicht aufgibt.
Viele schöne Jahre habe ich mit Dir teilen dürfen. Der wichtigste Teil meines Lebens ist unauslöschlich mit Dir verbunden. Nie vor Dir war so eine Beziehung für mich möglich. Nie nach Dir ist sie denkbar.
Du hast die Hälfte von mir mitgenommen und den Rest von mir hinterlassen, um in Deinem Namen weiterzuleben und da zu sein. Hier zu sein!
Du hast mir die Angst vor dem Tod genommen, denn da, wo Du bist, will auch ich sein. Aber ich kann noch nicht, will noch nicht. Warte auf mich! Ich komme bald!
Für Hans, der eigentlich ein ganz anderer war. In Liebe – ohne Ende. In diesem Bilderbuchsommer hast Du die Welt verlassen.
Der Oleander, den Du zu Deinem Geburtstag von Deiner Freundin Susanne geschenkt bekommen hast, hat geblüht, als stünde er in Griechenland. Die Phönixpalme, die ich Dir am gleichen Tag schenkte, weil Du die Tropen und Thailand für Dich konservieren wolltest, hatte zum ersten Mal seit drei Jahren keine Schildläuse an sich.
Wo bist Du, um Dich darüber zu freuen? Siehst Du uns, spürst Du uns, wie wir uns nach Dir sehnen? Kannst Du uns helfen, wie wir es uns einreden in dieser Zeit? Bist Du jenseits von allen Qualen, die zu dieser Erde gehören? Hast Du es überwunden, wie ich es für Dich wollte? Hast Du Ruhe? Bist Du endlich glücklich?
21 Tage danach
Den vier Trauerphasen zufolge, die mir der Bestatter beschrieben hat, bin ich mittendrin in der sogenannten »zurückschreitenden Phase«, die nach der ersten »Schockphase« am schwierigsten zu bewältigen sein soll. »Das Selbstwertgefühl ist vermindert« – wie wahr!
Heute Nacht war Caro wieder in meinem Bett. Jetzt ist es mein Bett, nicht mehr unseres. Seit Deinem Tod schlafe ich auf Deiner Seite. Ich kann es nicht ertragen, wach zu werden und auf Deiner Seite liegt niemand. Caros kleine Hand, die sich um meine Finger krallt, gibt mir in solchen Nächten Kraft. Oder ich gehe, bevor ich mich schlafen lege, noch einmal an die Betten der Kinder, wie wir es abends immer gemeinsam getan haben. Um zu tanken, um mir Kraft zu holen, den Sinn dieser lausigen Zeit auch weiterhin zu sehen.
Wie schmal ist der Weg, auf dem ich mich vorwärts bewege. Auf der einen Seite das Leben, auf der anderen Du, an dem mein Leben so gehangen hat, dass es jetzt wie in einem Vakuum dasteht. Nur für die Kinder kann ich leben. Für mich selbst nicht. Lernt man das wieder?
Versuche habe ich schon einige unternommen. Neue Dauerwelle, etwas Neues anzuziehen, Yoga. An meine Basis ist es nicht gelangt.
35 Tage danach
Gerade komme ich vom Elternabend. Ich werde traurig, wenn ich die intakten Elternpaare sehe. Vorbei für uns! Aus dem blauen Sommerhimmel!
Da ist nicht etwas geschehen, in das man reinwachsen könnte. Kein lange todkranker Mensch, der endlich erlöst wurde und nur seinen Rollstuhl oder seine Spritze hinterlässt. Was Du hinterlassen hast, sind lebendige, gesunde Kinder und ein Haus voller liebevoll zusammengetragener Dinge. Da steht Dein Rennrad, Dein Surfboard, Deine Hantelbank, Deine Skier, Dein Rasierwasser. Dein Bademantel riecht ganz intensiv nach Dir. Die Haare, die ich Dir noch zuletzt geschnitten habe, habe ich wieder aus dem Müll geholt. Deine Zahnbürste habe ich weggeworfen. Das war ein ganz kleiner Anfang, Dich endlich als tot zu akzeptieren. Ich weiß, wenn ich einen guten Tag habe, kann ich verdrängen, dass Du gestorben bist. Wie Du gestorben bist. Schon beim Schreiben merke ich, dass der Albtraum nicht bewältigt ist. Wie auch?
Bereits im letzten Jahr warst Du verändert. »Ich bin nicht mehr belastbar«, hast Du im Urlaub mit den Kindern gesagt. Bis dahin hatten wir so etwas eigentlich doch immer ganz gut hingekriegt. Aber da hattest Du wohl schon die ersten großen Schwierigkeiten mit Dir selbst. Diese ständige Überforderung, die Du Dir zumutetest! Ohne Chance auf wirkliche Entspannung bei den miesen Nachtdiensten. Müde, aber nicht schlafen können.
Und in so einer Situation musstest Du den Umzug nach Lingen angehen. Ich hatte Dich noch nie so kaputt erlebt. So besessen! Du hast nicht eine Woche überlegt. Die Praxis sollte es sein! Koste es, was es wolle. Koste es sogar die Beziehung zu mir. Zum Schluss hat es Dich das Leben gekostet.
»So eine Chance bekommt man nie wieder! Ich für meinen Teil gehe nach Lingen«, hast Du gesagt. Um zu
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