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Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Titel: Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa von Heyden
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suchen wir auf dem Dachboden nach der Leinwand, schleppen sie in mein Zimmer und bauen sie auf. Das Ding knallt mir auf den Kopf und ich fluche, Caro taumelt noch mal runter zu meiner Mutter in die Küche, um Kaffee zu holen. Ich schließe das alte Gerät an den Strom an und staune, weil es sofort anspringt. Mit der Handfläche streichle ich über den ratternden Kasten. Er wird warm und in seinem Lichtstrahl tanzt der Staub. Es ist seltsam, auf einmal fühle ich mich meinem Vater nahe. Die Bilder sind sein Erbe und ich beschließe, das ganze Zeug in Ehren zu halten.
    Der Projektor surrt eifrig vor sich hin, so als freue er sich, nach all den Jahren in der Rumpelkammer wieder in Betrieb zu sein. Caro kommt rein, jubelt »Wie aufregend, endlich gucken wir uns mal gemeinsam etwas an!« und sinkt vorsichtig mit zwei großen Tassen Milchkaffee in ihren Händen auf den Boden in den Schneidersitz. Hajo ist weg, deshalb gibt es in diesem Haus jetzt wieder normalen Kaffee.
    »Fertig?«, fragt sie und stellt die Gefäße vor sich ab, ohne einen Tropfen zu verschütten.
    »Fertig!«, sage ich, werfe ihr die Bedienung zu und setze mich neben sie auf den Teppich. Sie fängt das Ding mit einer Hand, drückt auf den Knopf und der Diaprojektor zieht mit einem Schnappen das erste Bild ein.
    »Oh Gott! Was ist das denn?« Mit einem Schrei wenden wir uns ab, dabei stößt Caro ihren Kaffee um, der sofort in den weißen Teppich einsickert. Das große Bild auf der Leinwand zeigt einen kleinen Jungen, dessen Gesicht zerfetzt ist. In seiner Nasen- oder Mundöffnung stecken dicke Schläuche, das Gesicht ist eine einzige Wunde. Obwohl unsere Eltern Ärzte sind, kann keiner von uns Kindern Blut sehen. Mein Bruder fällt in Ohnmacht, wenn er nur das Wort »Spritze« hört.
    »Mach weiter, weiter!«, rufe ich Caro zu und versuche, mit einem getragenen T-Shirt, das wie der Rest meiner Wäsche überall auf dem Boden verteilt liegt, den Kaffee aus dem Teppich zu rubbeln.
    Zack, das nächste Bild. Eine staubige Straße irgendwo in Südostasien, zwischen Autos, Mopeds und Fahrrädern flattern Hühner über die Straße. Es folgen Aufnahmen von Frauen, die riesige Eimer mit braunem Wasser schleppen, und unzählige Fotos von verletzten Kindern, scheinbar eine Dokumentation der Arbeit meines Vaters. Die Jungen und Mädchen haben nur noch ein oder gar keine Beine mehr, verstümmelte Arme oder entstellte Gesichter. Fotos aus dem Krankenlager zeigen, wie sie mit ihren verbundenen Stümpfen auf Matratzen dösen, ihre jungen Gesichter sind gezeichnet von Angst und Schmerzen, während ihre Mütter neben ihnen auf dem Boden knien und sie mit Reis füttern. Mein Vater trägt wie Karate Kid ein weißes Tuch um die Stirn und steht an einem OP-Tisch in einem Zelt.
    »Ich habe mir ein paar der Dias schon früher einmal angeschaut und dann Mami ein bisschen über Kambodscha ausgefragt«, sagt meine Schwester. »Da war dreißig Jahre Bürgerkrieg und während der Herrschaft von Pol Pot sind Mitte bis Ende der Siebzigerjahre Millionen von Kambodschanern ermordet worden. Es gibt unheimlich viele Waisenkinder, die Leute sind bitterarm und in keinem Land auf der Welt gibt es so viele Amputierte – die meisten sind Opfer von Landminen und in einigen Landesteilen besteht auch heute noch Minengefahr.«
    »Meine Güte. Ich habe immer gedacht, Papi hätte da ein paar Leute geimpft und ab und zu mal einen Blinddarm rausgenommen.«
    »Ne, das war richtig heftig. Aber von der Arbeit an sich soll er sehr begeistert gewesen sein. Also in dem Sinne, dass er dort wirklich helfen konnte.«
    Auf den nächsten Bildern sind die Kollegen vom Malteser Hilfsdienst zu sehen, mit denen mein Vater vor Ort war. Sie sehen alle so jung aus. Das »Krankenhaus« ist eine mit Plastiktüten gedeckte Bambushütte, die nicht besonders wetterfest aussieht. Ich erkenne die T-Shirts der Malteser wieder: weiß mit rotem Aufdruck. So eins habe ich mal im Schrank meiner Mutter gefunden und bin damit am nächsten Tag in die Schule marschiert. Das war zu der Zeit, als Techno und T-Shirts mit Aufdruck in Mode waren. Das Shirt meines Vaters hatte genau die richtige Größe, sodass ein bisschen von meinem Bauch rausguckte, was ich sexy fand. Meine Mutter ist ausgeflippt, als sie beim Mittagessen sah, was ich für ein Oberteil anhatte.
    »Bist du verrückt? Verstehst du, was da hinten draufsteht?«, brüllte sie mich vor dem Spiegel im Flur an, packte meinen Arm und dreht mich so, dass ich den Schriftzug sehen

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