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Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Djakow
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gefesselten Handgelenke waren taub geworden und hatten aufgehört zu brennen. Auch gegen die Kälte war der Körper inzwischen abgestumpft nach eineinhalbstündiger Fahrt auf der mit Planen verdeckten Ladefläche des Geländewagens.
    Sitting Bull spannte seine eingeschlafenen Muskeln an und rückte ganz nah zu Aurora, um wenigstes sie ein bisschen zu wärmen. Die Ärmste hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und schlotterte am ganzen Körper. Immerhin hatte ihr der Bandit, der sie gefesselt hatte, eine schmuddelige Wattejacke übergeworfen. Andernfalls hätte sie die eisige Fahrt wohl nicht überlebt.
    Während das absonderliche Fahrzeug – weiß der Henker wohin – durch den aufziehenden Schneesturm holperte, hatte Sitting Bull genug Zeit, sich die dramatischen Szenen noch einmal in Erinnerung zu rufen. Alles war so schnell gegangen, dass er Mühe hatte, die fragmentarischen Bilder zu einem sinnvollen Ablauf zusammenzufügen.
    Die panische Angst, gegen die er wie üblich nichts machen konnte, hatte ihm die Kehle zugeschnürt. Das Trommeln und Pfeifen der Kugeln, die gegen die Bordwand prallten, trieb ihn an den Rand des Wahnsinns, aus sämtlichen Poren seiner Haut drang klebriger Schweiß. Es war nur eine Frage der Zeit, wann eines der Geschosse die Panzerung durchschlug, und dann …
    Sitting Bull war völlig überrumpelt gewesen, als die reglos am Boden liegende Geisel plötzlich auf die Beine sprang. Sungats Angriff kam blitzschnell und hinterrücks. In der ganzen Hektik hatte niemand daran gedacht, dem Gefangenen die Gasmaske abzunehmen, und nun war es müßig, darüber zu spekulieren, zu welchem Zeitpunkt im Verlauf der Verfolgungsjagd der Steppenhund wieder zu sich gekommen war.
    Aufgeschreckt von Auroras Geschrei, griff Sitting Bull mit klammen Händen nach seiner Flinte, doch der Bandit kam ihm zuvor und streckte ihn mit einem brutalen Stiefeltritt nieder. Aurora verstummte abrupt.
    Als Sitting Bull mit zittrigen Fingern die Pistole in seinem Gürtelhalfter ertastet hatte und nicht mehr alles doppelt sah, riss er die Waffe hoch, obwohl ihm da schon klar war, dass er keine Chance mehr hatte. Der Bandit benutzte Aurora als lebendigen Schutzschild. Seine knorrigen Finger würgten ihren schmächtigen Hals.
    Der Stummel umklammerte die Pistole mit beiden Händen und zielte, doch Sungat reichte ein flüchtiges Kopfschütteln, um ihn von unbedachten Handlungen abzubringen.
    »Eine Bewegung – und ich reiße dem kleinen Luder den Kopf ab«, drohte er mit dumpfer Gasmaskenstimme. »Ich brauche nicht mal deine Knarre, du Memme.«
    Sungat fuchtelte mit der Flinte. Aurora schauderte und kniff die Augen zusammen, als sie das kalte Metall auf der Haut spürte. Der Stummel verfolgte das Geschehen wie durch einen Nebelschleier.
    Langsam legte der Bandit die Waffe neben der Seitenluke am Boden ab. Mit dem frei gewordenen Arm drückte er auf den Hebel des Verriegelungsmechanismus, schob die Klappe auf und gab jemandem draußen Zeichen. Sitting Bull war bewusst, dass er unverzüglich handeln musste, doch er war wie gelähmt. Abermals fuhr ihm stechender Schmerz in die Schläfen, ihm wurde schwindlig, und der Boden unter seinen Füßen gab nach. Verzweifelt lehnte sich der Stummel mit dem Rücken gegen die Wand und biss sich auf die Lippe. In diesem Zustand konnte er unmöglich schießen. Die Gefahr, dass er das Mädchen traf, war viel zu groß.
    »Richte deinem Boss aus: Wenn er seine Göre noch mal wiedersehen will, muss er sich in unsere bescheidene Residenz bemühen!«
    Mit diesen Worten trat der Bandit durch die Luke und schleifte Aurora hinter sich her. Kurz darauf verschwanden die beiden Gestalten, und Sitting Bull blieb mit seiner Angst allein, mit jenem treuen Begleiter, der seine Seele langsam aber sicher von innen auffraß.
    Mach doch irgendwas, forderte eine innere Stimme. Du kannst doch nicht wie ein Ölgötze hier stehen bleiben! Du musst das Kind retten! Feige Sau! Waschlappen!
    Mit einem verzweifelten Urschrei schüttelte Sitting Bull die Erstarrung ab, nahm einen kurzen Anlauf zur Luke und sprang … Ein Schwall kalter Luft und vom Truck aufgewirbelte Eiskristalle schlugen ihm ins Gesicht. Unter ihm huschte ein schmales schneeweißes Band durchs Bild, dann raste die Ladefläche eines Jeeps auf ihn zu.
    Krachend landete Sitting Bull auf dem harten Metallboden. Als er versuchte, sich aufzurappeln, bemerkte er gerade noch die über ihn gebeugte Gestalt des Banditen mit der verhassten roten Gasmaske. Dann

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