Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
augenfällig. Das gepflegte Äußere, die nahezu eingefrorene Mimik, die sparsamen Gesten und seine zackige Ansprache ließen nicht den geringsten Zweifel daran, dass ein waschechter Soldat vor den Abenteurern stand.
Doch gerade in dieser Hinsicht erwartete die Gäste eine erste Überraschung. Anstatt seinem Kommandeur Meldung zu machen, nickte Schustow nur verbindlich und marschierte grußlos davon, ohne seinen Vorgesetzten um Erlaubnis zu fragen!
»Wir haben die soldatische Etikette abgeschafft«, erläuterte der Oberst, als er Tarans verblüfftes Gesicht bemerkte. »Seit die Welt in Schutt und Asche liegt, sind wir alle eine große Familie und können uns die Formalitäten sparen. Es ist auch so allen klar, dass wir zusammenarbeiten müssen. Jeder tut seine Pflicht, auch ohne Befehle.«
»Verstehe«, murmelte Taran. »Aber leidet nicht doch die Disziplin darunter?«
Auf dem versteinerten Gesicht des Obersts erschien der Anflug eines Lächelns.
»Ich denke, das ist hier kein geeigneter Ort, um sich zu unterhalten. Wenn Sie erlauben, führe ich Sie in mein Büro. Dort können wir in Ruhe über alles reden.«
Der Aufzug setzte sich in Bewegung und trug den freundlichen Chef des Bunkers und seine Gäste in den Bauch des Bergs.
Gleb rührte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas mit einem Löffel um und ließ sich das feine und absolut unvergleichliche Aroma in die Nase steigen. Nach Aussage des Heiden handelte es sich um echten Ceylontee.
Für Aurora schien das edle Getränk nichts Besonderes zu sein. Womöglich hatte sie es in Eden jeden Tag zum Frühstück getrunken. Wie selbstverständlich verputzte das Mädchen die kulinarisch hochwertige Stärkung aus Armeekeks, Pastete und Speck und trank den Tee wie Wasser dazu.
Samuil Natanowitsch dagegen schlürfte seine Portion schlückchenweise und rollte dabei genießerisch mit den Augen. Gennadi probierte kurz, verzog das Gesicht und verschmähte das Gebräu. Der gewohnte Pilztee war ihm wesentlich lieber als dieses exotische, irgendwie süßliche Getränk, von dem er noch vor Kurzem in den höchsten Tönen geschwärmt hatte, als er mit Gleb zusammen die Seilwinde reparierte.
Taran ließ die Leckereien links liegen, weil er völlig ins Gespräch mit dem Oberst vertieft war. Letzterer äußerte sich ziemlich skeptisch zur möglichen Existenz von Alpheios und empfahl, sich das »sinnlose Vorhaben aus dem Kopf zu schlagen«. Dafür erzählte er interessante Dinge über die hiesigen Gepflogenheiten.
Zum Beispiel ließ er sich bereitwillig darüber aus, mit welchen Methoden man in Jamantau für Ordnung sorgte. Der unterirdische Komplex mit all seinen Bewohnern glich einem gigantischen Ameisenhaufen. Auf dem Weg ins Büro waren die Abenteurer durch eine Unzahl von Gängen mit endlosen Reihen von Wohn- und Technikräumen gelaufen und hatten einen ersten Eindruck von den gewaltigen Ausmaßen der Bunkeranlage bekommen. Nach den Worten des grauhaarigen Obersts hatte man den Komplex ursprünglich als Unterkunft für dreißigtausend Menschen konzipiert!
»In unserer Stadt gibt es – sozusagen aus historischen Gründen – eine gesellschaftliche Zweiteilung«, erläuterte der Chef des Bunkers, der mit einer Zigarette im Mundwinkel durch sein Büro schlenderte. »Die eine Gruppe bilden die Stammbewohner, die andere diejenigen, die später hinzugestoßen sind. Arbeit gibt es für alle mehr als genug. Die Hydrokulturen, die Belüftung, die Instandhaltung der Infrastruktur – irgendjemand muss die Routinearbeiten erledigen! Warum also nicht diejenigen, die wir hier freundlich aufgenommen haben? Auf der anderen Seite ist es nur logisch und konsequent, dass für die Sicherheit und Ordnung wir zuständig sind, eine Gruppe von Militärs, die kampferprobt sind und …«
»Eine Kaste …«
»Bitte?«, stockte der Oberst.
»Ich würde das als eine Kaste von Auserwählten bezeichnen«, erklärte Taran grimmig.
»Nennen Sie es, wie Sie wollen«, winkte der Offizier ab. »Der Sinn bleibt derselbe. Jemand muss hier das Sagen haben. Und da wir als Erste hier waren, bleibt dieses Recht uns vorbehalten.«
»Ich würde hier eher vom Recht des Stärkeren sprechen«, wandte der Stalker abermals ein.
Der Oberst verzog für einen Moment das Gesicht, ließ sich jedoch nicht weiter beirren.
»Meinetwegen! Einer muss sich schließlich um die Sicherheit kümmern, die Zügel in die Hand nehmen und Härte zeigen, oder nicht?!«
»Und wie machen Sie das – Härte zeigen?«, bohrte
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