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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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brachte, so wie Claire es gesagt hatte. Aber sie habe ich nicht
wiedergesehen.“
    Wieder schwieg
er, und ich wollte schon etwas fragen, als er unvermutet weiter sprach.
    „Zumindest die
nächsten drei Monate nicht. Auch wenn ich es wirklich versuchte. Ich blieb in
Lochmaddy und nahm mir ein Zimmer bei einer älteren Dame, einer Witwe, die
selbst als junge Frau auf diese Insel am Ende der Welt gekommen war. Die
nächsten Wochen verbrachte ich mit dem Versuch, Claire wiederzufinden. Doch wen
ich auch fragte – niemand kannte das geheimnisvolle Mädchen mit den goldenen
Locken. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf, sie zu finden, wenn ich nur lange
genug auf der Insel herumlief. Ich spürte immer noch ihre Hand in meiner und
die seltsame Energie, die mich durchströmt hatte, und ihr Verlust hatte ein
überwältigendes Gefühl von Einsamkeit in mir hinterlassen – so, als sei ich
nicht mehr vollständig, als habe sie einen Teil von mir mitgenommen, der nun
immer noch mit ihr dort durch den Nebel irrte. Immer hielt ich Ausschau nach
ihr, doch ohne Erfolg.
    Bis zu jener
Nacht etwa drei Monate später. Es war die Guy-Fawkes-Nacht, und selbst auf
dieser entlegenen Insel war ein Feuer entfacht worden. Ich war dort gewesen in
der Hoffnung, Claire zu finden, aber es hatte nicht funktioniert. Damit war
meine letzte Hoffnung erloschen. Schweren Herzens beschloss ich, North Uist
endlich zu verlassen und Claire zu vergessen. Ich verließ das Feuer früher als
alle anderen und ging schlafen. Die Witwe war für den Feiertag zu alten
Freunden auf dem Festland gereist. Deswegen war ich allein im Haus.
    Wie fast jede
Nacht träumte ich von Claire, doch diesmal war irgendetwas anders. Der Traum
fühlte sich lebendiger an, fast, als wäre er echt. Sie stand zum Greifen nah
vor mir, direkt an meinem Bett. Ich streckte meine Hand aus, um ihre zu
ergreifen, so wie damals in den Bergen. Und sie nahm meine Hand in die ihre und
hielt sie fest. Ein Blitz traf mich, und ich schreckte hoch – und da stand sie,
genau wie im Traum, direkt an meinem Bett, und hielt meine Hand.
    Ich starrte sie
an, während mein Herz einen Trommelwirbel schlug. Sie sah genau aus wie damals,
glänzende rotgoldene Locken umrahmten ihr süßes Gesicht mit den alles
durchdringenden blauen Augen, in denen ich jetzt, im Schein meiner
Nachttischlampe, auch silberne Sprenkel entdeckte. Doch während ich sie mit
meinen Blicken verschlang, sah ich die Veränderung: ein kugelrunder Bauch. Ich
brauchte ein paar Sekunden, bis mir die Bedeutung meiner Beobachtung aufging.
Sie war schwanger!
    Schockiert
wollte ich aufspringen und ihr die Hand entziehen. Doch als sie meine Bewegung
spürte, schrie sie auf, und es lag so viel Angst in ihrer Stimme, dass ich sie
stattdessen instinktiv an mich zog und beschützend umarmte. Sie sank neben mir
auf mein Bett und lehnte sich erschöpft an mich, und in diesem Moment wurde mir
bewusst, dass ich nur das für den Rest meines Lebens wollte: Sie neben mir
haben und diese unglaubliche Energie spüren, die zwischen uns pulsierte.
    „Wo warst du?
Was ist geschehen?“, fragte ich sie schließlich.
    Sie verstand.
„Ich habe überall nach dir gesucht“, antwortete sie. „Ich bin so froh, dass ich
dich gefunden habe! Lass mich nie wieder los!“
    „ Ich war
die ganze Zeit hier!“, antwortete ich. „Aber du warst nirgendwo zu
finden!“
    „Ich…“, setzte
sie an, doch dann verzog sie auf einmal schmerzverzerrt das Gesicht und griff
sich mit ihrer freien Hand an den Bauch.
    „Claire!“, rief
ich erschrocken. „Was ist los?“
    „Das Kind“,
keuchte sie, „es dauert nicht mehr lang!“
    „Wir müssen
sofort Hilfe holen!“, rief ich entsetzt und wollte aufspringen.
    Doch sie zog
mich panisch zurück. „Das geht nicht! Du darfst mich auf keinen Fall
loslassen!“ Sie klammerte sich mit aller Kraft an mich.
    „Aber du kannst
doch nicht hierbleiben!“, schrie ich, nun ebenfalls panisch. „Du brauchst
Hilfe!“
    „ Du musst
mir helfen!“, flehte sie. „Das ist unsere einzige Möglichkeit. Bitte!“ Sie
schaute mich so beschwörend an, dass ich wie hypnotisiert auf das Bett
zurücksank, innerlich wie erstarrt.
    „Das ist
Wahnsinn“, flüsterte ich hilflos. „Du kannst doch nicht hier dein Kind
kriegen.“
    „Nicht meins “,
entgegnete sie fest. „ Unser Kind.“
    Unsers? Aber das
war unmöglich! Und doch – alles in mir wollte, dass sie die Wahrheit sagte,
dass dies wirklich unser Kind war, so sehr mein Verstand sich auch

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