Hinter der Nacht (German Edition)
was war ich gewohnt.
Aber ich würde ihnen nicht die Genugtuung gönnen, zu sehen, wie sehr mich das
traf. Insgeheim war ich jedoch total wütend. Auf mich selbst, dass ich diesen
blöden Kurs gewählt hatte; auf diesen bescheuerten McDermott, der zu der schlimmsten
Sorte Lehrer gehörte – die Sorte, die sich auf Kosten schwächerer Schüler
profilieren musste; und vor allem auf diesen Arik. In seiner Nähe
stellten sich mir alle Nackenhaare auf. Irgendetwas an diesem Typen machte mich
total fertig.
Zum Glück schien
er wenigstens kein weiteres Interesse an mir zu haben. Er sah kein einziges Mal
in meine Richtung, wofür ich ihm ehrlich dankbar war, denn einer seiner Blicke
von der eiskalten Sorte hätte mir wahrscheinlich auch noch den letzten Rest
meiner Selbstbeherrschung geraubt. Allerdings behandelte er auch die anderen
wie Luft, was bei einem Mannschaftsspiel wie Handball keine ganz einfache Sache
war. Er warf zwar treffsicher jedes Mal ein Tor, wenn er den Ball in die Hand
bekam, aber das geschah nicht allzu oft, denn während alle anderen wild hin und
her rannten, bewegte er sich kaum von seinem Platz an der Seitenlinie vor dem
gegnerischen Tor weg, sondern blieb stur dort stehen und wartete. Die
Mannschaft schien ihn nicht im Geringsten zu interessieren, und so ignorierten
seine Mitspieler ihn größtenteils ebenfalls. Offensichtlich stimmte es, was
Jenny über ihn gesagt hatte: der Typ schien ein extremer Einzelgänger zu sein.
Als die Stunde
endlich zu Ende war, verließ ich die Halle fluchtartig. Jenny folgte mir.
„Mach dir nichts
draus, Clarissa“, tröstete sie mich gönnerhaft, kaum, dass wir in der Umkleide
waren. „Kann ja nicht jeder ein Sportler sein, und McDermott ist nun mal etwas
voreingenommen.“
Etwas
voreingenommen? Wenn das nicht die Untertreibung des Jahrhunderts war! Am
liebsten hätte ich Jenny gesagt, sie könne sich ihr „Verständnis“ sonst wohin
stecken, aber ich fürchtete, in Tränen auszubrechen, sobald ich den Mund
öffnete. Deshalb zog ich es vor, mich im Eiltempo zu duschen und abzutrocknen.
Ich wollte so schnell wie möglich raus hier, an die frische Luft.
Aber so schnell
ließ mich Jenny nicht in Ruhe. Beim Anziehen beäugte sie mich von der Seite.
„So unsportlich siehst du eigentlich gar nicht aus!“, stellte sie schließlich
herablassend fest.
„Bin ich auch
nicht!“, fauchte ich sie an. „Das liegt nur an den blöden Bällen!“
„Bällen?“,
echote sie mit einem Blick, als sei ich nicht ganz dicht.
„Ja, Bällen “,
äffte ich ihren arroganten Tonfall nach. „Ich liebe Sport! Nur mit Bällen kann
ich nicht umgehen. Dafür habe ich einfach kein Gefühl.“ Vor Wut kamen mir schon
wieder fast die Tränen.
Jenny schien mir
nicht zu glauben, denn sie erkundigte sich schnippisch: „Wenn du so sportlich
bist – was treibst du denn so?“
„Karate!“
Das hatte
gesessen. Sie starrte mich mit offenem Mund an. „Karate?“, fragte sie dann in
einem Ton, als hätte ich gerade zugegeben, in Wahrheit die erste weibliche
Starspielerin bei ManU zu sein. „Du nimmst mich auf den Arm, oder?“
„Warum sollte
ich?“, fragte ich hitzig.
Sie blieb
skeptisch. „Wie oft trainierst du denn so in der Woche?“
„Zwei- bis
dreimal“, entgegnete ich. Dann schränkte ich ehrlicherweise ein: „Zu Hause.“
Das war eine
weitere meiner Sorgen. Ich war so mit meinem Elend hier beschäftigt gewesen,
dass ich mich noch gar nicht darum gekümmert hatte, ob es hier auch einen
Verein gab. Dabei fehlte mir das Training ziemlich. Zu Hause in Deutschland war
Karate das einzige gewesen, was mein Leben lebenswert gemacht hatte. Dort, im Dojo ,
war meine wahre Heimat gewesen, nicht bei meiner Mutter oder gar in der Schule.
„Dann kannst du
ja in die Karate AG gehen“, unterbrach Jenny meine Gedanken. „Hier, bei uns.“
Ihr Ton sagte deutlich, was sie nicht aussprach: Machst du ja doch nicht.
War ja doch nur Angeberei .
Was sie nicht
wusste – und bestimmt auch nicht beabsichtigt hatte - war, dass sie mir mit
dieser Information einen Riesengefallen tat.
Arik
Etwa anderthalb
Tage habe ich Ruhe. Dann sehe ich sie wieder.
Es ist im
Sportunterricht, bei diesem Idioten McDermott. Coach Mc Dermott. Ich
gehe nur dorthin, weil ich jede Chance zum Trainieren nutzen will. Anfangs hat
er versucht, mich einzuschüchtern, wie er das bei jedem probiert. Dieser Kerl
vereinbart in seiner Person alles, was Menschen an schlechten Eigenschaften
haben
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