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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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können: Intoleranz, Ignoranz und Arroganz, gepaart mit einer großen
Portion Grausamkeit. Doch seit er festgestellt hat, dass mich das nicht
interessiert und, besser noch, ich mit einem Ball in der Hand jedes Ziel
treffe, lässt er mich in Ruhe. Schlecht dran dagegen sind diejenigen, die
sportlich unbegabt sind. Sie macht er nach Strich und Faden fertig. Vor allem,
wenn sie auch noch äußerlich aus dem Rahmen fallen. So wie die Kleine vom
Parkplatz.
    Es dauert ein
paar Minuten, bis ich sie entdecke. Erst bei der Begrüßungsrunde ereilt mich
der Schock. Dies ist der Teil von McDermotts Unterricht, den ich am meisten
verabscheue, und das will schon was heißen. Wozu muss man im Kreis
zusammenhocken und reden, wenn man nur ein paar Techniken lernen will? Völlig
überflüssig. Aber McDermott liebt diese Runden. Sie bieten ihm die Gelegenheit,
genüsslich seine Opfer zu piesacken, und er verzichtet nie auf sie.
    Wie üblich lasse
ich mich im Kreis nieder, ohne irgendwen anzuschauen. Erst im letzten Moment
blicke ich auf, und da sehe ich sie. Die tiefschwarzen Haare. Mir direkt
gegenüber. Sie blickt so stur vor sich auf den Boden, dass ich mir sofort
sicher bin, dass sie mich schon entdeckt hat. Und es scheint ihr keine Freude
zu bereiten. Ich lächle grimmig in mich hinein. Offensichtlich hat sie die
Botschaft kapiert. Die Vorstellungsrunde startet, und all die Langweiler
rattern ihre Namen und Daten herunter. Als ob das irgendwen interessiert. Ich
lenke mich damit ab, mein Gegenüber zu beobachten. Obwohl sie keine Sekunde
aufschaut, scheint sie meinen Blick deutlich zu spüren und darunter immer mehr
zusammenzuschrumpfen. Gegen meinen Willen werde ich neugierig. Wenn ich sie
schon so einschüchtere, wie wird sie dann erst auf McDermott reagieren?
    „Und du?
Verrätst du uns gnädigerweise auch deinen Namen? Oder sollen wir raten?“ Sein
Interesse hat sie erreicht, und nicht nur ich beobachte interessiert, wie sie
zunächst gar nicht reagiert, dann zusammenzuckt und über und über rot wird.
Schließlich stößt sie mit starkem Akzent irgendein Kauderwelsch hervor, dem ich
immerhin die Wörter „Clarissa“ und „Deutschland“ entnehmen kann. Eine
Ausländerin. Damit ist ihr Schicksal bei McDermott besiegelt. Ihr Zusatz, dass
sie auch noch halbe Koreanerin ist, macht es nicht besser. Ich brauche mir
keine Mühe mehr geben, ihr unseren Zusammenstoß heimzuzahlen. Das wird
McDermott schon für mich erledigen.
    Dass sie sich
dann auch beim nachfolgenden Handballspiel wirklich total dämlich anstellt, ist
kaum noch eine Überraschung, sondern passt einfach ins Gesamtbild.
Wahrscheinlich war es für eine derart unsichere und ungeschickte Person
schlicht unvermeidlich, mir vor das Motorrad zu laufen. Ich sollte es ihr nicht
übelnehmen, sondern sie einfach vergessen. Doch zu einer derart gelassenen
Haltung kann ich mich nicht durchringen. Im Gegenteil, immer, wenn ich sie
zufällig ansehe, sträuben sich meine Haare. Irgendetwas an ihr reizt mich
unsäglich.

Karate
    Clarissa
     
    „Hey, was ist
das denn?“, fragte Mike überrascht. Er hatte den Kopf zur Tür hereingesteckt,
um mich zu fragen, ob er mir etwas von der Pizzeria mitbringen sollte (er war
immer noch freundlich zu mir, was mir langsam unheimlich wurde) und zeigte nun
auf den weißen Anzug, den ich auf meinem Bett bereitgelegt hatte, um ihn
nachher in meine Sporttasche zu packen.
    Mittlerweile war
es Mittwochabend, und ich hatte meinen dritten Schultag so lala hinter mich
gebracht. Die Fächer und Lehrer, die ich neu kennengelernt hatte, waren ganz
okay gewesen, keine unangenehmen Überraschungen diesmal. Zwischendurch hatte
ich eine unerwartete längere Pause gehabt, weil die Geschichtslehrerin
verhindert gewesen war und wir so statt Unterricht einfach eine Stunde in der
Bibliothek verbringen durften. Ich hatte die Zeit genutzt, um herauszufinden,
dass es tatsächlich eine Karate AG an der Schule gab, die sich immer montags
und donnerstags nach dem Unterricht traf. Der Trainer war ein junger Lehrer,
der erst letztes Jahr neu an die Schule gekommen war.
    „Karate“,
beantwortete ich jetzt Mikes Frage.
    „Cool!“, grinste
er. Irrte ich mich, oder klang er tatsächlich ein bisschen beeindruckt?
„Welchen Gürtel hast du denn?“
    „Braun“,
erwiderte ich.
    „Wow, das ist
schon recht gut, oder?“ Diesmal war ich mir fast sicher: Er war beeindruckt.
    „Es gibt drei
braune Gürtel, und danach kommt dann schwarz. Das sind die Meister. Ich habe
aber

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