Hinter der Nacht (German Edition)
jetzt hatte ich den Schlamassel. Nun hieß es wohl, Augen zu und
durch - und darauf hoffen, dass ich mit nicht allzu vielen blauen Flecken aus
dieser Chose herauskommen würde.
„Und du?
Verrätst du uns gnädigerweise auch deinen Namen? Oder sollen wir raten?“
Die sarkastische
Stimme drang plötzlich unangenehm laut an mein Ohr, und zeitgleich stieß Jenny
mir unsanft ihren Ellenbogen in die Rippen. Erschreckt sah ich hoch. Alle Augen
waren auf mich gerichtet, mit mehr oder weniger schadenfrohem Ausdruck. Ich
hatte das unbehagliche Gefühl, etwas Wichtiges verpasst zu haben.
„Clarissa, du
bist dran!“, zischte meine Nachbarin jetzt in Bühnenlautstärke.
„Also?“, raunzte
mich gleichzeitig Coach McDermott an. „Ich hoffe, wir haben dich nicht aus
deinem wohlverdienten Schlaf geweckt?“ Jetzt waren die Lacher deutlich
vernehmbar.
Ich spürte, wie
ich knallrot anlief. Verzweifelt bemühte ich mich, den Blicken meiner
Mitschüler nicht zu begegnen. Vor allem nicht seinem Blick.
„Mein-Name-ist-Clarissa-und-ich-komme-aus-Deutschland“, stieß ich dann in einem
Atemzug hervor, in einer Schnelligkeit, die der der Schotten in nichts
nachstand.
„Deutschland.“
Aus McDermotts Mund klang dieses Wort wie eine Beleidigung. „Soso.“ Es klang
wissend, als hätte ich mit meiner Herkunft alles über meinen Charakter gesagt,
was es zu sagen gab. Und das schien eindeutig nicht zu meinen Gunsten zu sein.
„Du siehst aber nicht besonders deutsch aus.“ Er musterte mich von Kopf bis
Fuß, dann lachte er meckernd. Ich fühlte mich, als hätte er mich gerade vor
aller Augen ausgezogen.
„Mein Vater ist Koreaner“,
erklärte ich zittrig.
„Das erklärt
einiges.“ Hatte sein Urteil über mich vorher schon nicht gerade schmeichelhaft
geklungen, so schien es jetzt vernichtend zu sein.
Augenblicklich
stellten sich bei mir alle Stacheln auf. Solche Reaktionen kannte ich. Sie
waren einer der Hauptgründe für meine Außenseiterrolle in Deutschland gewesen.
Wenn man in einem Kaff mit weniger als zehntausend Einwohnern in der miefigsten
Provinz lebt, kann man es sich eben nicht leisten, anders zu sein. Doch dass
ich auch hier solchen Vorurteilen begegnete, und noch dazu bei einem Lehrer,
nahm mir den letzten Rest meiner Hoffnung, dass aus diesem Auslandsaufenthalt
doch noch etwas Gutes werden könnte. Mikes plötzlicher Charme hatte mich
eingelullt und schon fast vergessen lassen, wer ich eigentlich war. Und dass
ich niemals irgendwo dazu gehören würde. Die Schotten waren zwar zum
Teil etwas höflicher als die Deutschen und zeigten ihre Ablehnung nicht ganz so
offen. Aber offensichtlich dachten sie das Gleiche.
Ich war heilfroh,
als der Lehrer sein Interesse Jenny zuwendete, die die Nächste in der Runde
war. Sie erzählte in lockerem Ton ein paar Einzelheiten über sich, und er warf
mir einen abfälligen Blick zu, der soviel besagte wie Davon schneide dir mal
ein Stück ab! . Ich bemühte mich, ihn zu ignorieren. Aber von jetzt an
achtete ich peinlichst darauf, meine Aufmerksamkeit nicht wieder abschweifen zu
lassen. Noch so eine Blöße wie gerade wollte ich mir nicht geben. Schon gar
nicht vor diesem Publikum.
Als die Reihe an
die Jungs kam, wuchs mein Interesse allerdings wieder. Ich war wider Willen
gespannt, was er von sich geben würde.
Er schaffte es
sogar noch knapper als ich. „Arik.“ Nur dieses eine Wort gab er von sich, dann
schloss er seinen Mund wieder.
Bei all meiner
Abneigung grinste ich doch innerlich. Was der Coach wohl davon hielt? Doch
McDermott nickte nur leicht und setzte dann ohne Kommentar die
Vorstellungsrunde fort. Wenn man eine Sportskanone war – oder zumindest so
aussah - schienen andere Regeln zu gelten.
So wie sie
angefangen hatte, setzte sich die Sportstunde fort. Wir spielten Handball, und
schon nach wenigen Minuten war allen in der Halle klar, dass ich eine absolute
Niete war - einschließlich McDermott, der meine vergeblichen Bemühungen, einen
Ball sicher zu fangen oder gezielt weiterzubefördern, mit hämischen Bemerkungen
kommentierte und mich die ganze Stunde lang kaum aus den Augen ließ. Mir war
klar, dass ich bei ihm schon jetzt total unten durch war. Und der Kurs schien
seine Meinung zu teilen, was an dem unterdrückten Gekicher und einigen nicht
allzu leisen Bemerkungen in meine Richtung unschwer zu erkennen war. Ich biss
die Zähne zusammen und nahm mir fest vor, kein Zeichen von Schwäche zu zeigen.
Meinetwegen konnten sie ihre blöden Bemerkungen machen, so
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