Hinter der Nacht (German Edition)
erst den zweiten braunen.“
„Ups, dann muss
ich ja ab sofort aufpassen, was ich sage!“, scherzte er. „Und was hast du damit
vor?“
„Karate AG.
Morgen.“ Meine Antwort fiel etwas knapper aus, als sich mal wieder Nervosität
in mir breit machte. So sicher, wie ich tat, war ich mir nämlich bei weitem
nicht, ob ich mich morgen wirklichallein in eine Gruppe wildfremder
Jungs – denn davon ging ich bei einer Karate-AG aus – wagen sollte.
„Hättest du was
dagegen, wenn ich mitkomme?“
Das kam
unerwartet. Ich zögerte. Natürlich würde es mir mit Mike an meiner Seite
leichter fallen, mich dorthin zu wagen. Aber ich hatte noch gut in Erinnerung,
wie nervig er mich bis vor kurzem fand, und ich wollte seine neue
Freundlichkeit nicht überstrapazieren.
Doch er fügte
hinzu: „Ich wollte immer schon mal beim Training zuschauen. Hatte nur bisher
keine Ausrede. Du würdest mir also einen Gefallen tun!“
Konnte ich da
noch nein sagen?
Trotzdem war ich
immer noch ziemlich nervös, als wir uns am nächsten Nachmittag der Turnhalle
näherten. Mike dagegen war sein übliches strahlendes Selbst. Gut gelaunt
begrüßte er das kleine Grüppchen Jungen (Wusste ich’s doch!) jeden Jahrgangs,
das sich vor dem Halleneingang tummelte und offensichtlich darauf wartete,
hinein gelassen zu werden. Alle schienen sich gut zu kennen. Mir dagegen
schenkten sie keinerlei Aufmerksamkeit, worüber ich mich eigentlich hätte
freuen müssen. Stattdessen wäre ich am liebsten sofort wieder umgedreht und
nach Hause gegangen, und ohne Mike hätte ich das bestimmt auch getan.
Erst als es ans
Umziehen ging, merkte ich, dass einer der Jungs, die vor der Halle gewartet
hatten, in Wirklichkeit ein Mädchen war. Aber eins mit extrem kurzen Haaren.
Ich war erleichtert. Wenigstens eine Geschlechtsgenossin.
Sie schien sich
ebenfalls zu freuen. „Hi, ich bin Patti.“
„Clarissa.“
„Kommst du jetzt
öfter?“, fragte sie. Es klang hoffnungsvoll. „Ich könnte etwas weibliche
Verstärkung gebrauchen!“
Meine Nervosität
wurde angesichts ihrer Nettigkeit ein ganz klein bisschen kleiner. „Ich weiß
noch nicht. Vielleicht seid ihr ja alle viel zu gut für mich.“
Sie lachte. „Da
mach dir mal keine Sorgen. Die meisten von uns sind eher Anfänger. Ich bin auch
erst seit Kurzem dabei. Und du?“
Ich zog meinen
Braungurt aus der Tasche und sah, wie sie die Augenbrauen hochzog. „Wow! Da
müssen sich die Jungs ja vor dir in Acht nehmen. Das wird denen mal ganz gut
tun. Die halten sich ja immer für so toll!“ Sie verdrehte übertrieben
die Augen.
„He, macht ihr
da drin Kaffeeklatsch? Das Training fängt an!“ Eine muntere Jungenstimme vom
Gang unterbrach uns. Schnell band ich mir meinen Gürtel um. Dann folgte ich
meiner neuen Bekannten mit heftigem Herzklopfen und wackeligen Knien in die
Halle.
Mike saß schon
an der Seite auf einer Bank und unterhielt sich mit einem der Jungen. Ich
blickte mich unschlüssig um. Außer mir und Patti waren noch etwa ein Dutzend
andere Gestalten in weiß vertreten. Die meisten von ihnen schienen etwa mein
Alter zu haben, zwei waren deutlich jünger. Der Trainer, der leicht zu erkennen
war – er war älter und der einzige Schwarzgurt – stand an der Seite und redete
mit jemandem…
Scheiße. Okay,
das war’s. Zeit, mich zu verabschieden. Ich wusste doch gleich, dass das hier
nicht gut gehen konnte. Denn dort, traulich ins Gespräch mit dem Trainer
vertieft, stand kein anderer als Arik the Beast. Ohne Anzug, einfach in
schwarzen Trainingsklamotten. Auch einen Gürtel trug er nicht. Trotzdem sah er
durchtrainierter und gefährlicher aus als jeder andere hier im Raum.
Patti schien
mein Zusammenzucken bemerkt zu haben (Kein Wunder, ich hatte das Gefühl, jeder in der Halle müsste es gespürt haben!), denn sie stieß mich in die Seite
und fragte: „Kennst du ihn?“ Auch ohne ihr bezeichnendes Nicken war klar, wen
sie meinte.
Ich erzählte ihr
kurz von meiner unheimlichen Begegnung der ersten Art auf dem Parkplatz am
ersten Schultag.
Ihr Kommentar
tröstete mich ein bisschen. „Tja, typisch. Er ist nicht gerade für seine
Sanftmut bekannt.“
„ The Beast “,
murmelte ich leise.
Offensichtlich
nicht leise genug, denn Patti grinste. „Ja, das trifft es recht gut“,
entgegnete sie dann. „Ich an deiner Stelle würde ihm einfach aus dem Weg gehen.
So wie alle anderen auch.“
Meine
flatternden Nerven beruhigten sich wieder leicht. „Kennst du ihn besser?“
„Nein,
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