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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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ihm
zurückzuweichen. Halbherzig rief ich mich zur Ordnung. Immerhin war ich ein
Braungurt, kurz vorm Dan, all diesen Anfängern hier weit überlegen! Das hätte
noch gefehlt, dass ich mich vor allen lächerlich machte, nur weil ich mein
Gegenüber nicht riechen konnte! Ich zwang meinen Körper, ebenfalls Ausgangsstellung
einzunehmen und die Fäuste zu ballen, auch wenn meine Knie merklich zitterten.
Hoffentlich waren alle anderen so mit sich selbst beschäftigt waren, dass
niemand dieses peinliche Detail bemerkte. Arik allerdings sah es genau, wie mir
sein verächtlicher Blick verriet.
    Kaum war ich
halbwegs in Position, griff er auch schon mit einem Oi-tsuki , der direkt
auf mein Kinn zielte, an. Fast hätte seine gerade Rechte mich erwischt, aber in
letzter Sekunde gelang es mir, ihm auszuweichen, indem ich schnell zurück
sprang. Auch wenn es beim Karate, zumindest beim Training, eigentlich keinen
Vollkontakt gab, hatte ich den beängstigenden Eindruck, dass er nicht eine
Sekunde gezögert hätte, mich k.o. zu schlagen.
    Meine
Erleichterung währte nur kurz, denn er setzte sofort mit einem weiteren
Fauststoß nach, der erst auf meinen Rippen endete. Ich schnappte nach Luft. Er
kämpfte so verbissen, als sei es ihm bitterer Ernst. Das war ungewöhnlich. Nach
meinen bisherigen Erfahrungen hatten Jungen immer große Probleme damit, ein
Mädchen im Karate (und nicht nur da) ernst zu nehmen. Sie schlugen meist nur
halbherzig zu, als sei es einfach unter ihrer Würde, sich mit einem weiblichen
Wesen anzulegen. Arik hingegen schien damit keine Probleme zu haben.
Wahrscheinlich hätte mich das nicht überraschen sollen.
    Er bedrängte
mich ununterbrochen mit harten Fauststößen und Tritten, und obwohl er sich
dabei kaum von der Stelle bewegte, gelang es mir selten, ihm auszuweichen. Er
war einfach zu schnell. Bald schon spürte ich an den verschiedensten Stellen
deutlich die wachsenden blauen Flecken. Zu einem Gegenangriff kam ich
frustrierenderweise nie.
    Als die erste
Runde endlich beendet wurde, beugte ich mich keuchend vor und rang nach Atem,
während er mir demonstrativ den Rücken zuwandte. Erst jetzt bemerkte ich zu
meiner nicht geringen Verlegenheit, dass Jordan uns offensichtlich schon einige
Zeit beobachtet hatte.
    „Was glaubst du,
was du hier machst, Mädchen? Du bist doch kein Sandsack!“, bemängelte er. „Du
musst mehr rangehen!“
    „Ich versuch’s
ja“, verteidigte ich mich lahm, während mir die Röte in die Wangen schoss.
    „Versuchen
reicht nicht!“, entgegnete er kurz angebunden. „Ich will was sehen!“
    In diesem Moment
fing ich Ariks geringschätzigen Blick und seine spöttisch verzogenen Mundwinkel
auf. Das gab den Ausschlag. Auf einmal verspürte ich den starken Wunsch in mir,
diesem rücksichtslosen, überheblichen, arroganten Typen, der mich ohne jeden
Grund seit unserer ersten Begegnung auf dem Kieker zu haben schien, zu
beweisen, dass mehr in mir steckte. Dass ich nicht die hilflose Versagerin war,
für die er mich ganz offensichtlich hielt. Warum mich das ausgerechnet bei ihm
so störte, während er doch eigentlich nur dasselbe wie alle anderen dachte,
wusste ich allerdings auch nicht.
    Und so überraschte
ich ihn mit einer Reihe schneller, plötzlicher Angriffe, als die nächste Runde
begann. Diesmal war der Kampf ausgeglichener. Ich war ihm zwar nicht wirklich
ebenbürtig, konnte aber besser standhalten und sogar einige Treffer landen.
Dabei kam mir zugute, dass er zwar unheimlich genau und treffsicher mit seinen
Fäusten und Füßen war, aber dafür seltsam unbeweglich, wenn es darum ging, sich
von einem Fleck zum anderen zu begeben. So, als kämen seine Beine nicht hinter
dem Rest des Körpers her. Während seine Fauststöße und Tritte nahezu immer
blitzschnell kamen und perfekt saßen, schien er sich auf seine Schritte
ungewöhnlich stark konzentrieren zu müssen. Dadurch war er deutlich weniger
wendig als ich. Und das nutzte ich aus. Ich begann, wild um ihn herumzuspringen
und nie länger als ein, zwei Sekunden an einer Stelle stehen zu bleiben, was
zwar mit Sicherheit nicht sehr elegant aussah, sich dafür aber als die einzig
wirksame Methode entpuppte, auch einmal zu punkten. Am Ende dieser Runde
keuchten wir beide, und ich bildete mir ein, dass er mich vielleicht einen
Hauch weniger verächtlich anschaute als vorher.
    Auch Jordan
schien überrascht. „Naja, das war immerhin ein Anfang“, sagte er mit einem
leicht spöttischen Unterton. „Möglicherweise bist du ja

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