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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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– okay, würde , wenn ich
könnte! Aber es geht einfach nicht anders! Und du weißt das auch.“
    „Nein, das weiß
ich nicht“, widersprach er störrisch, doch ich hörte ihm an, dass sein
Widerstand bröckelte. „Willst du nicht wenigstens noch mal mit ihm reden?“,
fuhr er dann etwas ruhiger fort.
    Ich schüttelte
den Kopf. „Nein. Das Kapitel ist abgeschlossen. Aber“ – ich löste mich aus
seinen Armen und holte den Brief, den ich an Arik geschrieben hatte und der
mittlerweile in einem verschlossenen Umschlag steckte – „wenn ich weg bin –
wenn du es erledigt hast – würdest du ihm dann bitte diesen Brief geben?“
    Er nahm den
Umschlag misstrauisch in die Hand. „Warum denn erst dann?“
    „Bitte!“,
schärfte ich ihm ein, „auf keinen Fall vorher! Versprichst du mir das?“
    Nachdem er mir
eine halbe Ewigkeit forschend in die Augen geschaut hatte, nickte er
schließlich, wenn auch sichtbar widerwillig. „Okay, wenn du darauf bestehst.
Ich verspreche es. Zufrieden?“ Er knickte den Umschlag zusammen und steckte ihn
in seine Hosentasche.
    „Und jetzt?“
Hilfesuchend sah ich ihn an.
    „Ach, Clarissa.“
Er legte den Arm um mich, und mir wurde klar, dass er mich und meine gespielte
Tapferkeit durchschaut hatte.
    Bei all meinem
Elend durchrieselte mich ein warmes Gefühl der Zuneigung. Mike war der beste
Freund – der beste große Bruder - den man sich nur wünschen
konnte. Und ich war froh, dass ich ihn gehabt hatte. Auch wenn ich bald nichts
mehr davon wüsste. Ich setzte mich auf und blickte ihn ernst an. „Mike, eins
musst du mir versprechen!“
    Misstrauisch
erwiderte er meinen Blick. „Noch etwas?“
    „Versprich mir,
dass du mich nicht vergisst, okay? Ich werde dich bald nicht mehr
kennen, und niemand sonst hier wird mich kennen. Aber bitte behalte du mich in
Erinnerung! Versprichst du mir das?“
    In seiner Stimme
lag ein ganz ungewohnter Ernst, als er erwiderte: „Ich verspreche es dir,
Clarissa! Hoch und heilig! Du wirst immer zu meinem Leben gehören! Und nichts
und niemand wird daran etwas ändern!“
    Mir kamen die
Tränen, und ich umarmte ihn lang und heftig. „Danke.“ Ich schniefte. „Dann
sollte ich jetzt wohl von hier – Abschied nehmen.“
    Ich ließ meinen Blick
durch das Zimmer und aus dem Fenster streifen. Meine Heimat in den letzten
Monaten. Entgegen meinen ursprünglichen Befürchtungen und trotz aller Tiefen
hatte ich Schottland wirklich lieb gewonnen. Es war meine zweite Heimat
geworden, und oft sogar mehr als das. Ich hatte mich hier in einem halben Jahr
dazugehöriger gefühlt als in Deutschland in meinem ganzen Leben.
    Auch das würde
ich nun nie erleben.
    Bevor der
Schmerz mich überwältigte, drückte ich Mike noch einmal fest an mich. Erst, als
ich seine Umarmung spürte, merkte ich, dass ich zitterte. „Ich habe etwas –
Angst, Mike.“
    „Angst?“ Sein
Blick war besorgt.
    „Ja. Was,
glaubst du, wird mit meinem jetzigen Ich passieren? Werde ich einfach – nicht
mehr da sein? Oder irrt diese zweite Clarissa dann für immer zwischen den
Welten herum? Wie ein Geist?“
    Mikes Stimme
klang bedrückt. „Ich weiß es nicht, Clarissa.“
    „Wann – gehst du
denn?“
    „Am besten
bald“, murmelte er. „Bevor ich es mir anders überlege.“
    Ich schloss die
Augen, um die Tränen zurückzudrängen. Dann öffnete ich sie mühsam wieder. „Also
ist dies – das Ende?“ Das war unerträglich. Ich konnte mich nicht mehr
beherrschen.
    Und auch Mikes
Augen schimmerten jetzt feucht. „Clarissa. Wir können es auch lassen. Du musst
das nicht tun!“
    „Nein. Hör nicht
auf mich. Ich bin nur feige. Du musst gehen. Ich hätte nur so gern…“ Der
Rest meiner Worte ging in einer wahren Sturzflut unter. Unter Mobilisierung
meiner letzten Kraftreserven schob ich Mike von mir. Jeder Zentimeter mehr
zwischen uns schien wie ein Lichtjahr, und es wurde immer kälter in mir.
Trotzdem flüsterte ich: „Geh, Mike, ich bitte dich. Geh sofort! Du hast es mir
versprochen!“
    Er drückte mich
noch einmal an sich. „Wir sehen uns wieder!“, flüsterte er zurück. Dann hörte
ich die Tür klappen, und er war weg.
    Alles in mir
schrie danach, sofort aufzuspringen und hinter ihm her zu laufen. Mich an ihn
zu klammern, ihn festzuhalten und nie wieder loszulassen. Stattdessen warf ich
mich auf den Bauch, krallte meine Hände in die Matratze und drückte meinen Kopf
in das Kissen. Wilde Schluchzer drangen aus meiner Kehle, aber ich war stärker.
Ich blieb liegen, wo

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