Hinter der Nacht (German Edition)
zog nach einem prüfenden Blick aus dem Fenster den
Reißverschluss meiner Regenjacke zu und öffnete die Haustür.
Fast wäre ich in
die dunkle Gestalt auf der Türschwellehineingerannt. Es dauerte ein
paar Sekunden, bis ich mich soweit von meinem Schock erholt hatte, dass ich ihn
erkannte. „Himmel! Musst du mich immer so erschrecken? Machst du das eigentlich
mit Absicht?“
Ariks Brauen
zogen sich finster zusammen, ein Anblick, der mir mittlerweile so vertraut war,
dass er fast anheimelnd wirkte. „Blödsinn! Ich hab dich nicht erschreckt!“
„Hast du doch!“
Zur Bestätigung legte ich die Hand auf mein immer noch heftig klopfendes Herz.
„Warum klingelst du nicht einfach, wie andere Leute auch?“
„Wollte ich doch
gerade. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du wie eine Verrückte hier
rausstürmst!“
Erst jetzt
registrierte ich so richtig, wer da vor mir stand, und rang nachträglich um
Fassung. „Was – was machst du denn überhaupt hier?“
Auf einmal sah
er verlegen aus. Dafür aber nicht mehr ganz so finster. „Ich dachte, du –
hättest vielleicht Lust auf einen Ausflug?“ Er deutete mit dem Kopf zur Straße,
und erst jetzt sah ich, dass sein Motorrad dort stand. Auf dem Sitz lagen zwei
Helme.
„Damit?“, fragte
ich mit einem zweifelnden Blick zum Himmel, während mein Herz gleichzeitig
heftig zu klopfen begann. Dichte graue Wolken hingen drohend über uns, und
meiner Erfahrung nach konnte es nicht mehr lange dauern, bis sich deren
Schleusen öffnen würden.
Arik winkte
verächtlich ab. „Na und? Hast du etwa Angst vor Wasser?“
„Nein, sonst
wäre ich wohl kaum in Schottland. Aber ein Motorrad ist nicht ganz das optimale
Fahrzeug für schlechtes Wetter, oder?“
„Ich hab aber
nichts anderes.“ Er klang abweisend, und ich ging rasch mit mir zu Rate.
Die Entscheidung
war einfach, denn eigentlich war es gar keine. Natürlich würde ich mit ihm
fahren. Egal, womit und in welchem Wetter. „Okay“, stimmte ich deshalb schnell
zu, bevor er es sich anders überlegte. „Wohin fahren wir denn?“
„Überraschung“,
war seine nicht sehr aussagekräftige Antwort.
„Also gut.“ Ich
räusperte mich. Auf einmal war meine Stimme belegt. „Dann gib mir mal meinen
Helm.“
Diesmal umfasste
ich ohne große Umstände sofort seine Taille. Zum Glück konnte er die Röte, die
mir dabei ins Gesicht stieg, wegen des Helms nicht sehen.
Kaum hatten wir
unsere Straße verlassen und waren auf der Hauptstraße, beschleunigte er, dass
mir Hören und Sehen verging. Aber er fuhr dabei so ruhig, als seien wir gerade
mal im Schritttempo unterwegs. Ich merkte nur an der vorbeizischenden
Landschaft und dem atemberaubenden Fahrtwind, wie schnell wir wirklich sein
mussten. Das Motorrad legte sich weich in die Kurven, und ich folgte instinktiv
den Bewegungen, die Arik vor mir machte. Sein Rücken an meiner Brust fühlte
sich wirklich ziemlich gut an.
Ich konnte nicht
ausmachen, wohin wir fuhren. Nachdem wir uns eine Weile auf der Hauptstraße
gehalten hatten, verließ Arik sie und steuerte von einer kleineren Straße auf
die andere, bis ich das Gefühl hatte, total die Richtung verloren zu haben. Bei
dem rasenden Tempo, dass er auch auf den schmalen Single Track Roads nicht wesentlich drosselte, hätte ich sowieso niemals allein zurückgefunden.
Das, was ich auf die Schnelle von der Landschaft mitbekam, sah aber eindeutig
nach Highlands aus. Irgendwann tauchten wir in dichten Wald ein, der in seiner
Ursprünglichkeit wie aus einer anderen Zeit aussah. Ich hatte keine Ahnung
gehabt, dass es solche Wälder in Schottland überhaupt noch gab. Wir wurden
spürbar langsamer.
Als das Motorrad
schließlich stand, fühlte ich mich, als hätte ich nach einem langen Flug
endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Vorsichtig löste ich meinen Griff
um Ariks Taille, auch wenn das ein seltsames Gefühl von Verlust in mir
hervorrief. Dann kletterte ich mit wackligen Beinen umständlich von der
Maschine herunter und nestelte an meinem Helm herum. Aber Arik war schneller.
„Warte, ich mach das schon.“ Seine Stimme klang belegt und er musste sich
räuspern. Viel zu schnell hatte er mir den Helm abgenommen und trat
unverzüglich einen Schritt zurück.
„Wo sind wir
hier?“ Außer hohen Nadelbäumen, die ziemlich alt und knorrig aussahen, konnte
ich nichts Interessantes entdecken.
„Fast da“,
entgegnete er. Dann fügte er unvermittelt hinzu: „Vertraust du mir eigentlich?“
Ich runzelte die
Stirn,
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