Hinter der Nacht (German Edition)
mein Gefummel ein Weilchen an,
dann fragte er gelangweilt: „Brauchst du vielleicht Hilfe?“
„Ich – glaube
schon. Ich krieg diese Schnalle einfach nicht zu“, murmelte ich, ohne ihn
anzuschauen.
Unvermittelt
stand er vor mir. „Warte, ich mach das schon.“
Ihn so dicht vor
mir zu spüren, brachte mich noch mehr aus dem Gleichgewicht. Vorsichtig, als
wolle er mir auf keinen Fall zu nah kommen, berührte er mit spitzen Fingern den
Gurt unter meinem Kinn, fädelte ihn in die Schnalle ein und zog ihn dann fest.
Dort, wo mich seine Fingerspitzen dennoch berührten, prickelte meine Haut.
Erst, als er zurück zu seinem Motorrad ging, merkte ich, dass ich die ganze
Zeit die Luft angehalten hatte.
Er schwang geübt
sein Bein über den Sitz und schaute mich dann erwartungsvoll und auffordernd
an. Hilfesuchend blickte ich mich nach etwas um, woran ich mich festhalten
konnte, um meinerseits Platz zu nehmen, aber das einzige, was mir in den Blick
kam, waren seine Schultern. Da mir wohl nichts Anderes übrig blieb, legte ich
schließlich zögernd meine Hände auf sie und ließ mich dann hinter ihm nieder.
Dann ließ ich ihn sofort wieder los.
Seine Stimme
klang dumpf durch meinen Helm. „Bist du schon mal Motorrad gefahren?“
„Nein.“
„Ist ganz
einfach“, erklärte er, „du musst nur meinen Bewegungen folgen, wenn wir in eine
Kurve gehen. Und gut festhalten, sonst fällst du hinten runter!“
Das war ja sehr
beruhigend!
„Wo soll ich
mich denn festhalten?“, fragte ich leicht panisch, während ich hinter mir
herumtastete. „Ich finde keinen Griff.“
Seine Schultern
zuckten, und ich hörte ein ersticktes Prusten. Lachte er etwa? „Tja“,
antwortete er spöttisch, „dann wirst du wohl mit mir vorlieb nehmen müssen! –
So…“ Er griff nach hinten, nahm meinen rechten Arm und legte ihn um sich. Dann
tat er das Gleiche mit meinem linken Arm. Und dann startete er die Maschine.
War ich bis
jetzt noch unsicher gewesen und fest entschlossen, ihn nicht zu
umklammern, so verwandelte sich dieser Vorsatz schlagartig in sein Gegenteil,
als er einen wahren Blitzstart hinlegte und seine Maschine von Null auf Hundert
in gefühlten 0,0 Sekunden hochjagte. Die Beschleunigung katapultierte mich nach
hinten, und reflexartig schloss ich meine Arme wie einen Schraubstock um Arik
mit der Absicht, ihn auf keinen Fall wieder loszulassen, solange sich dieses
Teufelsding noch bewegte.
Der eisige
Fahrtwind strich über meine nackten Beine. Ich hielt Ariks Taille fest
umschlungen und drückte mich so eng wie möglich an seinen Rücken. Mir wurde
schwindlig, als ich sah, in welch irrwitzigem Tempo die Stadt an uns vorbeischoss.
Ich war vorher noch nie Motorrad gefahren, aber so schnell hatte ich es mir
nicht vorgestellt. Es kam mir vor, als würden wir fliegen. Und ganz sicher
hielt Arik sich nicht an die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung. In
dieser Hinsicht schien er überraschende Ähnlichkeit mit Mike zu haben, auch
wenn die beiden ansonsten so verschieden waren wie Tag und Nacht.
Komischerweise
hatte ich trotzdem keinerlei Angst. Obwohl ich als einzigen Schutz einen Helm
trug, der mich bei einem Unfall wohl kaum vor schlimmem Schaden bewahren
könnte, und obwohl ich ausgerechnet mit Arik, dessen Benehmen im Allgemeinen
alles andere als vertrauenerweckend war, auf diesem Geschoss auf zwei Rädern
unterwegs war, fühlte ich mich so sicher und geborgen wie kaum jemals zuvor.
Ein Gefühl, dass mit keiner rationalen Überlegung dieser Welt zu begründen war.
Und doch hielt es mich fest umfangen, so wie ich den Jungen vor mir.
Viel zu schnell
war die Fahrt vorbei. Verlegen löste ich meinen Klammergriff. Kaum berührte ich
Arik nicht mehr, schien die Temperatur um mich herum schlagartig um mehrere
Grad zu sinken. Steifbeinig kletterte ich von dem Motorrad. Dann nestelte ich
an meinem Helm herum und schaffte es irgendwie, den Riemen zu lösen und ihn mir
vom Kopf zu ziehen. Ich hielt ihn Arik hin, der mir im Tausch meine Sporttasche
entgegenstreckte.
„Danke.“ Ich
wollte viel mehr sagen, doch mir fehlten die Worte.
„Keine Ursache.
Und – wie war’s?“ Er sah mich an, und in seinen Augen spiegelte sich die Nacht
um uns herum.
„Schnell.“ Das war
das unverfänglichste Wort, das mir in den Sinn kam.
Ariks ernste
Miene verzog sich wieder zu einem Grinsen. Es stand ihm wirklich ausgesprochen
gut. „Ich fahre gern schnell“, erwiderte er.
„Hab ich
gemerkt.“
„Aber richtig
schnell war das noch
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