Hinter der Nacht (German Edition)
stellte
überrascht fest, dass unterdrückte Wut in seiner Stimme mitklang.
Obwohl ich noch
nie einem Tier etwas zuleide getan hatte, fühlte ich mich prompt schuldig.
Ariks nun wieder düsterer Blick schien auch mich anzuklagen.
„In dieser Zeit
stehen sie jedoch unter Naturschutz, und hier bei Loch Garten gibt es wieder
eine ganze Menge.“
„Gott sei Dank“,
murmelte ich, und mir war selbst nicht ganz klar, ob sich das auf die Rettung
der bedrohten Fischadler bezog oder auf die Tatsache, dass Ariks Augen nun
wieder etwas freundlicher in meine Richtung schauten.
Dieser Junge war
mir wirklich ein Rätsel. Ich hatte ihn für einen echten Rebellen gehalten, mit
seinem Motorrad und seinem finsteren Getue, und sein üblicher Umgangston
deutete auf ein nicht gerade zartbesaitetes Gemüt hin. Und dann entpuppte er
sich auf einmal als Natur- und Tierliebhaber. Das passte irgendwie überhaupt
nicht zusammen.
Eine Weile
schwiegen wir beide und beobachteten die Fischadler, die ab und zu auftauchten,
sich einen Fisch aus dem See angelten und dann irgendwo im Wald verschwanden.
Die Ruhe und der Frieden um uns herum waren ansteckend, und mit der Zeit fiel
die Anspannung, die mich seit Wochen gefangen hielt, von mir ab. Dabei blieb
ich mir allerdings überdeutlich der Nähe Ariks bewusst. Doch komischerweise
empfand ich auch seine Gesellschaft fast als beruhigend.
Erst als es
schließlich zu dunkel wurde, um noch irgendwelche Vögel zu erkennen, durchbrach
Arik wieder die Stille. „Komm!“ Er erhob sich mit einer gleitenden Bewegung und
war im nächsten Moment verschwunden.
„Arik?“
Plötzliche Unsicherheit überkam mich.
„Komm!“,
wiederholte er. Seine Stimme ertönte von irgendwo unter mir. Ich strengte meine
Augen an und konnte mit einiger Mühe seine dunkle Silhouette vor dem schwach
glänzenden Wasser erkennen.
„Wie bist du da
runter gekommen?“
„Gesprungen“,
entgegnete er im Ton größter Selbstverständlichkeit.
Na Prost
Mahlzeit. Ein Sprung ins Ungewisse, ohne sehen zu können, wo ich landete,
gehörte nicht gerade zu meinen liebsten Übungen. Vorsichtig rutschte ich in
sitzender Stellung näher an den Rand des Felsens. Ich konnte die Entfernung
nicht genau abschätzen, aber es sah ziemlich tief aus.
„Soll ich dich
auffangen?“, hörte ich ihn fragen.
„Nicht nötig,
ich schaff das schon“, antwortete ich wider besseres Wissen. Dann schloss ich
die Augen und ließ mich einfach fallen. Kurz spürte ich die raue Oberfläche des
Steins unter mir, dann zog mich die Schwerkraft unwiderstehlich nach unten, und
mit einem spitzen Schrei, den ich nicht unterdrücken konnte, und einem lauten
Platsch landete ich im Wasser. Ich merkte, wie ich auf den glitschigen, runden
Steinen unter meinen Füßen ausrutschte und das Gleichgewicht verlor. Hilflos
ruderte ich mit den Armen in dem aussichtslosen Versuch, mich doch noch
irgendwie abzufangen, doch ich konnte schon förmlich spüren, wie ich unsanft im
See landete und klitschnass wurde.
Da, plötzlich,
fühlte ich zwei starke Arme mich. Sofort erstarrte ich und mir stockte der
Atem, während mein Herz gefährlich ins Stolpern geriet.
„Alles in
Ordnung?“, hörte ich Ariks Stimme dicht an meinem Ohr. Auch er klang atemlos.
Ich nickte nur,
obwohl er das im Dunkeln wohl kaum sehen konnte. Aber ich hatte Angst, dass er
mich sofort wieder loslassen würde, wenn ich auch nur einen Ton von mir gab.
Mein Herz
klopfte zum Zerspringen. Ich konnte ihn zwar nicht sehen, obwohl er direkt vor
mir stand, dafür aber umso deutlicher fühlen. Alles um mich herum verschwand,
und ich spürte nur noch ihn – seine Hände, die mich festhielten, sein Atem, der
mich streifte, sein Herzklopfen, das ich meinte deutlich hören zu können, und
seine gesamte, unglaubliche Präsenz. Die Zeit wurde völlig bedeutungslos, und
hinterher hatte ich keine Ahnung, wie lange wir dort so standen. Es hätte eine
Ewigkeit sein können oder auch nur eine Sekunde. Aber eins wusste ich sicher:
Es war der schönste Moment meines ganzen bisherigen Lebens.
Arik brach den
Bann als erster. Auf einmal zuckte er zusammen wie jemand, der plötzlich aus
einem Traum erwacht, und dann ließ er mich schlagartig los, als hätte er sich
verbrannt. Gleich darauf platschte er so laut durchs Wasser, dass es sich fast
anhörte, als wäre er auf der Flucht.
Sein plötzlicher
Rückzug brachte mich völlig aus dem Gleichgewicht, so dass ich beinahe doch
noch ins Wasser gefallen wäre. So gut ich es in
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