Hinter der Nacht (German Edition)
überzeugter, als ich war. Im Dunkeln allein durch Inverness zu gondeln,
gehörte nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen – schon gar
nicht, seit ich damals dieses komische Geräusch auf dem Parkplatz gehört hatte.
Irgendwie war es zwischen all diesen alten, geschichtsbeladenen Gebäuden
leichter, an Gruselmärchen und Spukgestalten zu glauben, besonders im Dunkeln.
Aber ich konnte ja schließlich nicht immer an Mikes Rockzipfel hängen. Und für
Angst im Dunkeln war ich eigentlich sowieso schon längst zu alt.
„Danke, du bist
echt ein Schatz!“, entgegnete Mike. „Bis später dann!“ Er winkte mir noch
einmal kurz zu und verschwand dann eilig in Richtung Parkplatz. Wahrscheinlich
wollte er weg sein, bevor ich es mir anders überlegte.
Unschlüssig
blieb ich vor der Halle stehen. Das Schulgelände lag finster vor mir. Nach und
nach kamen die übrigen Karateka an mir vorbei und verabschiedeten sich, bis ich
schließlich ganz allein im Halbdunkel stand. Als mir klar wurde, dass niemand
mehr kommen würde, spürte ich einen Stich der Enttäuschung, für den ich mich
sofort innerlich zurechtwies. Dann raffte ich mich auf, schulterte meine
Sporttasche und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Dort stellte ich
nach einem Blick auf den Fahrplan fest, dass ich den Bus knapp verpasst hatte
und nun fast eine halbe Stunde auf den nächsten warten musste. Abends fuhren
sie nicht mehr so oft. Auch das noch! Seufzend ließ ich mich auf der kleinen
Bank nieder und richtete mich auf eine ungemütliche Wartezeit ein.
„Hey!“
Beim
unerwarteten Klang der dunklen Stimme kriegte ich fast einen Herzinfarkt. Dabei
hätte ich mich doch so langsam an sein plötzliches Erscheinen gewöhnt haben
müssen. Ich schoss hoch und erblickte Arik, der direkt vor der Bushaltestelle
stand, mit seinem Motorrad. Dabei hätte ich schwören können, dass ich keinerlei
Motorengeräusch gehört hatte.
„Mann! Du hast
mich zu Tode erschreckt!“ Die Erleichterung, ihn zu sehen, ließ mir die Knie
weich werden, und ich lehnte mich haltsuchend an die Rückwand des
Wartehäuschens.
„War keine
Absicht.“ Schien ihn aber auch nicht sonderlich zu stören, wie seine
gleichgültige Stimme verriet. „Was machst du hier? Hat dein Freund dich
versetzt?“ Wieder schaffte er es, seine ganze Abneigung in dieses eine Wort zu
packen.
„Er ist nicht
meinFreund. Und er kann tun, was er will“, nahm ich Mike hitzig in
Schutz.
Arik schien die
Warnung in meiner Stimme zu verstehen, denn er wechselte das Thema. „Und – was
hast du jetzt vor?“
„Wonach sieht’s
denn aus? Ich warte auf den Bus und fahre nach Hause!“ Ich konnte nicht
verhindern, dass meine Stimme gereizt klang. Immerhin stand ich an einer
Bushaltestelle.
„Wann kommt er
denn?“
„Der Bus? Dauert
noch.“ Was wurde das? Wollte er mir etwa Gesellschaft leisten? Das wäre
allerdings mal eine echte Überraschung.
Er schien
nachzudenken. Dann sagte er zögernd: „Wenn das so ist… wenn du willst…“ Er
stockte. Seine plötzliche Unsicherheit machte mich misstrauisch. Das passte so
gar nicht zu ihm.
„Was?“
„Ich könnte dich
nach Hause bringen.“
Wow! Ich stieß
überrascht die Luft aus. „Du meinst – mit dem Motorrad?“ Ich war noch nie mit
einem gefahren. (Wer hätte mich auch mitnehmen wollen?)
„Ja. Oder hast
du Angst?“ Seine Stimme klang herausfordernd.
Ich war mir
nicht sicher. „Sollte ich?“
„Wer weiß?“ Unvermutet
grinste er, was ihm ein ganz neuesAussehen verlieh. Ein sehr
beunruhigendes Aussehen… „Immerhin bin icham Lenker…“
„Ja, dann…“ Ich
ließ offen, was das für mich bedeutete. Stattdessen sah ich zweifelnd an mir
herunter. Ich trug natürlich wieder meine Schuluniform, und ich wollte mir
lieber nicht vorstellen, wie mein kurzer Rock sich auf einem Motorrad machen
würde.
„Ich geb dir
auch meinen Helm“, bot er an.
„Du bist ja ein
richtiger Kavalier“, spottete ich. Trotzdem zögerte ich. Ich hatteAngst
– aber nicht so sehr vor ihm. Ich traute mir nicht. Bestimmt würde ich
irgendetwas tun, was mich mal wieder total blamieren würde.
Doch Ariks Augen
blickten mich unverwandt an, und plötzlich merkte ich, wie sich meine Beine
auch ohne mein Zutun in Bewegung setzten. Er nahm mir die Sporttasche ab und
legte sie vor sich quer über das Motorrad. Dann reichte er mir den Helm und sah
zu, wie ich ihn mir über den Kopf stülpte.
Nervös fingerte
ich an dem Kinnriemen herum. Arik schaute sich
Weitere Kostenlose Bücher