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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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meine
klitschnasse Jacke auszog und an den Haken hängte, um mich danach der ebenso
triefenden Turnschuhe zu entledigen. Ich verstand einfach nicht, warum jemand
sich einen für das schottische Wetter so unpassenden fahrbaren Untersatz
aussuchen konnte wie ein Motorrad. Mehrere Male waren wir in den letzten zwei
Wochen bis auf die Haut nass geworden und einmal oben in den Highlands sogar in
einen Schneesturm geraten – das schottische Wetter machte wirklich alles
möglich – und nur mein verschwenderischer Umgang mit heißem Badewasser nach
jedem dieser Ausflüge hatte mich bisher vor einer Lungenentzündung bewahrt.
Aber Arik hatte auf meine wiederholte Frage, ob ein Auto nicht um einiges
passender wäre, mal wieder in Rätseln gesprochen. „Ein Auto kann ich nicht
überall hin mitnehmen. Das geht nur mit einem Motorrad.“ Danach war ich kein
Deut schlauer, aber offensichtlich war aus ihm nicht mehr herauszuholen.
    „Ich wusste gar
nicht, dass du dich mit ihm triffst.“ Mikes Stimme holte mich in die Gegenwart
zurück.
    „Manchmal“,
antwortete ich einsilbig. Blöderweise hatte ich das Gefühl, mich verteidigen zu
müssen.
    „Ahaaa?“ Ein
ganzes Bündel von Fragen lag in diesem gedehnten Wörtchen.
    Innerlich
stöhnte ich. Ich hatte echt keine Lust auf ein Verhör. „Tut mir leid, Mike,
aber ich brauch jetzt erstmal ein heißes Bad. Dieser Regen ist wirklich
höllisch.“ Mit diesen Worten ergriff ich die Flucht.
    Während ich in
der wohltuend heißen Badewanne lag und spürte, wie langsam Leben in meine
Glieder zurückkehrte, ließ ich die vergangenen zwei Wochen Revue passieren. Das
Zusammensein mit Arik war nicht gerade einfach – er blieb launisch und
unberechenbar, und mehr als einmal hatte seine Stimmung um 180 Grad gedreht,
wenn ich irgendetwas gesagt hatte, das ihm sauer aufstieß. Das Schwierigste
daran war, dass ich absolut keine Ahnung hatte, was ihn jeweils störte. Ich
sagte etwas in meinen Augen vollkommen Unschuldiges, und urplötzlich
verdunkelten sich seine Züge und der erste Blitz zuckte nieder. Meistens
verschwand er dann ohne Vorwarnung wie damals am See, was mich jedes Mal wieder
wie ein Schock traf, auch wenn ich mittlerweile wusste, dass er stets zurück
kam. Aber das Unerwartete seines Gehens und Kommens nahm mir doch immer wieder
den Atem. Oft kehrte er schon nach wenigen Minuten, manchmal sogar Sekunden
zurück und wirkte dann so, als habe er lange über das Gesagte nachgedacht.
    Inzwischen war
ich mir sicher, dass er auf irgendeine Weise schneller war als andere Menschen.
Und je mehr er sich an mich gewöhnte, desto öfter passierten ihm diese
seltsamen Ausrutscher, wie ich sie insgeheim nannte. Dass er nicht weg ging, sondern einfach weg war. Wie in Luft aufgelöst. Oder dass er eine
Entfernung von mehreren Metern mit einem einzigen Schritt zu überbrücken schien
und ohne Vorwarnung neben mir stand, auch wenn er vorher ganz woanders gewesen
war.
    Ich war
mittlerweile überzeugt, dass seine Andeutungen, mit denen er mich vor sich zu warnen
versucht hatte, eine reale Ursache hatten. Dass er wirklich anders war. Anders
als jeder Mensch, der mir bisher begegnet war. Dass er mehr Fähigkeiten hatte
als andere Menschen. Vielleicht sogar übermenschlicheFähigkeiten. -
Jedes Mal, wenn ich bei dem letzten Gedanken angelangt war, hörte ich in einem
Teil meines Gehirns hämische Stimmen „Spinnerin!“ schreien und ich nahm eilig
alles zurück. Aber je öfter ich mit Arik zusammen war, desto hartnäckiger
setzte sich dieses Wort in meinem Innern fest. Übermenschlich. Mehr als
ein Mensch. Besserals ein Mensch. Aber inwiefern?
    Nur in einem war
ich mir ganz sicher, und daran konnten auch all seine gegenteiligen
Behauptungen nichts ändern: Er mochte anders sein und mit Sicherheit
außergewöhnlich, aber eins war er ganz bestimmt nicht: böse .
     
    Der erste
Schultag nach den Ferien war eine harte Geduldsprobe, denn Arik ließ sich
nirgendwo in meiner Nähe blicken. Das war an sich nicht ungewöhnlich, da wir
montags kein Fach zusammen und er seine Mittagspause noch nie in der Cafeteria
verbracht hatte. Trotzdem war ich enttäuscht, auch wenn ich mir sagte, dass es
dafür keinen Grund gab. Nur zu gern hätte ich Jennys überdrehte Fröhlichkeit
gegen seine unberechenbaren Launen eingetauscht. Das Einzige, was mich ausharren
ließ, war das bevorstehende Karatetraining, auf das ich regelrecht hinfieberte.
    Nachdem der Gong
endlich die letzte Unterrichtsstunde beendet hatte, eilte ich,

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