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Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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Schulterzucken abtat.
    Zu meinem großen
Missvergnügen wurde ausgerechnet heute die Trainingstaktik geändert. Als die
Aufwärmphase vorbei war, steuerte ich automatisch auf Arik am anderen Ende der
Reihe zu, doch Jordans Stimme stoppte mich. „Heute wollen wir unsere Anfänger
mal mit dem Ernst des Lebens konfrontieren – jeder von euch Weiß- und
Gelbgurten sucht sich bitte einen möglichst erfahrenen Gegner für das Kumite !“
    Mein Herz sank.
Ausgerechnet jetzt, wo ich mich so auf Arik gefreut hatte, sollte ich mich mit
irgendeinem blöden Anfänger herumschlagen! Doch ich hatte keine Zeit, lange
Trübsal zu blasen, denn alle anderen schwärmten bereits aus und versuchten,
sich die angenehmsten Partner zu angeln. Na gut, dann musste ich eben mit Mike
üben. Rasch setzte ich meinen Weg fort, doch dann traute ich meinen Augen
nicht: Kein Anderer als Arik wendete sich auf einmal zu dem neben ihm stehenden
Mike um. Mir blieb der Mund offen stehen. Was war denn in den gefahren?
Normalerweise verabscheute er doch schon Mikes bloßen Anblick, und jetzt wollte
er freiwillig mit ihm trainieren?
    Auch Mike
schaute ihn zunächst verblüfft an, doch dann nickte er, und ich gab mich
geschlagen. Suchend schaute ich mich um und fand schließlich nur noch unseren
Jüngsten, ein mageres Bürschchen von höchstens zwölf Jahren, unversorgt. Als
ich mich zu ihm gesellte, blickte er verschüchtert auf meinen Braungurt und
ging dann vorsichtshalber drei Schritte zurück. Na Klasse. Viel trainieren
würde ich heute also nicht. Stattdessen durfte ich das Kindermädchen für einen
Dreikäsehoch spielen. Aber wenigstens würde mir das die Zeit lassen, das
ungleiche Paar Mike und Arik zu beobachten.
    Allerdings war
ungleich noch eine starke Untertreibung. Mike mit seinen kupferblonden Locken
und den grünsilbernen Augen in seinem hellhäutigen, mit zarten Sommersprossen
übersäten Gesicht in seinem neuen weißen Karateanzug und Arik mit seinen
schwarzen Stacheln, den nachtdunklen Augen und seiner gebräunten Haut in
Kombination mit seinem schwarzen Outfit sahen aus wie zwei absolute Gegensätze
– wie Tag und Nacht, Licht und Schatten - oder Engel und Dämon. Der letzte
Vergleich tauchte ohne mein Zutun in meinem Kopf auf, und sofort zuckte ich
schuldbewusst zusammen. Gut, dass Arik keine Gedanken lesen konnte, denn es war
offensichtlich, welche Rolle er dabei übernehmen würde. Und ich würde
mich hüten, seiner schlechten Meinung von sich selbst auf diese Weise noch neue
Nahrung zu geben.
    Doch nachdem ich
die beiden eine Weile beobachtet hatte, stellte ich zu meiner Überraschung
fest, dass ich mich geirrt hatte. Sie waren keine absoluten Gegensätze – im
Gegenteil. Die Art, wie die beiden sich gegenseitig belauerten, mit beiden
Beinen fest auf der Erde und scheinbar reglos, bis einer plötzlich vorzuckte
und der Andere im buchstäblich selbenAugenblick – nicht kurz danach als
Reaktion, sondern wirklich gleichzeitig – die Bewegung erwiderte, ließ sie wie
zwei Spiegelbilder ein- und desselben Menschen, nur in unterschiedlichem Licht,
erscheinen. Man konnte selbst bei genauem Hinsehen – und ich sah sehrgenau
hin – nicht sagen, wer jeweils agiert und wer reagiert hatte. In Mike, dem
blutigen Anfänger, schien Arik endlich einen ebenbürtigen Gegner gefunden zu
haben. Dabei entsprach Mike nun wirklich nicht der allgemeinen Vorstellung
eines Kämpfers. Aber die beiden waren sich ähnlicher, als ich gedacht hatte.
Und ich sah ihren Gesichtern an, dass ich nicht die einzige war, der diese
erstaunliche Erkenntnis dämmerte.
     
    Nach dem
Training duschte ich mich im Rekordtempo und eilte dann trotz der mittlerweile
empfindlich kühlen Temperatur – es war immerhin Ende Oktober – mit nassen
Haaren aus der Halle. Um keinen Preis wollte ich Arik verpassen - und leider
war ich mir ganz und gar nicht sicher, ob er auf mich warten würde.
    Glücklicherweise
hatte ich mir jedoch unnötigerweise Sorgen gemacht. Er wartete schon vor der
Halle – allerdings nicht allein. Neben ihm stand, traulich ins Gespräch
vertieft, Mike. Ich war so verblüfft, ja fast schockiert, die rotblonden Locken
und die schwarzen Stacheln einander zugeneigt zu sehen, dass ich mit offenem
Mund stehenblieb und mir das Schauspiel erst einmal durch die Glastür ansah.
Aber es bestand kein Zweifel: sie unterhielten sich, und, wie es aussah, recht
angeregt. Von der üblichen Feindseligkeit zwischen ihnen war nichts zu
bemerken.
    Nachdem ich mich
halbwegs von

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