Hinter der Nacht (German Edition)
jeden Zweifel. Und ganz egal, was andere davon hielten.
Es war sogar egal, was er davon hielt. Oder ich. Das Band, das
mich an ihn fesselte, und dessen ich mir gerade erst bewusst geworden war, war
unauflöslich.
Fast hätte ich
gelacht. Das war mal wieder typisch, dass ich mein Herz ausgerechnet an den
ungepflegtesten, raubeinigsten, schwierigsten und mysteriösesten Typen in ganz
Schottland verlor. Und dass, obwohl mir ganz klar war, dass er dieses Herz
früher oder später in Schutt und Asche legen würde. Aber selbst diese seltene
Klarsicht konnte an meiner verrückten Gewissheit nicht rütteln. Ich wusste, ich
würde mich nie wieder vollständig fühlen ohne ihn. Und nichts könnte daran je
etwas ändern.
Arik
In dem Moment,
in dem ich es zulasse, dass sie meine Wohnung betritt, begehe ich einen nicht
wieder gut zu machenden Fehler, das ist mir klar. Aber sie ist so verdammt
hartnäckig. Ein Nein scheint sie einfach nicht zu akzeptieren. Außerdem bin ich
seltsam zweigeteilt: ich sollte die Gelegenheit nutzen, alles aus ihr
herauszuquetschen, was sie weiß, doch stattdessen fange ich auf einmal an, ihr
viel zu viel über mich selbst zu verraten.
Ich rede mir
ein, dass ich den Kontakt zu ihr vertiefen muss, um später mehr zu erfahren.
Dass sie jetzt noch nicht genug Informationen liefern kann. Und dass es dabei
nur von Nutzen sein kann, wenn sie glaubt, ich sei auch anderweitig an ihr
interessiert. Aber noch während ich diese Gedanken in meinem Kopf formuliere,
weiß ich, dass das nicht die Wahrheit ist.
Allein der
Gedanke an das, was ich fühle, widert mich an. Als ob ich je etwas für einen
Menschen empfinden könnte. Das wäre das Schlimmste. Auch wenn es eigentlich
egal ist, denn ich bin sowieso verdammt. Doch selbst wenn ich es nicht wäre,
könnte mich nichts in der Welt dazu bewegen, Liebe für einen Menschen zu fühlen. Was ich fühle, ist eine fatale Anziehungskraft, aus der nur Böses
entstehen kann. Und doch merke ich, wie sie immer stärker wird und mich zu
übermannen droht. Aber selbst wenn ich ihr irgendwann nicht widerstehen kann,
weiß ich immer noch eins mit unumstößlicher Gewissheit: Liebe ist das
nicht. Kann das nicht sein. Und wird es nie sein.
Ähnlichkeit
Clarissa
Die Herbstferien
vergingen wie im Flug. Ich verbrachte die meiste Zeit mit Arik. Er schien sich
nicht mehr gegen die Gefühle zwischen uns zu wehren, auch wenn wir uns nicht
näher kamen als bisher. Meistens fuhren wir mit dem Motorrad herum, und er
zeigte mir sein Schottland. Er kannte sich total gut aus, sowohl, was die
Geographie, als auch, was die Geschichte der Orte anging, die wir besuchten.
„Gibt es eigentlich irgendeinen Platz auf der Erde, zu dem du nichts erzählen
kannst?“, fragte ich ihn eines Tages, als er mich mal wieder damit verblüfft
hatte, wie lebendig er die tote Vergangenheit darstellen konnte.
„Jeden außerhalb
Schottlands“, antwortete er lapidar.
Ich schaute ihn
überrascht an. „Wieso das denn?“
„Ich war noch
nirgendwo anders.“
„Du warst noch
nie außerhalb von Schottland?“ Das konnte ich kaum glauben.
Er schüttelte
den Kopf.
„Wieso nicht?“
„Zu schwierig.“
„Was ist denn
daran schwierig? Heutzutage steigt man einfach ins nächste Flugzeug, und schon
steht einem die ganze Welt offen.“
Arik schüttelte
den Kopf. „Ich fliege nicht.“
Flugangst? Er?
Das passte irgendwie überhaupt nicht. „Dann nimmt man eben den Zug. Oder ein
Schiff.“
„Ich will gar nicht weg von hier, okay?“ Seine Stimme hatte einen warnenden Unterton, den
ich mittlerweile kannte, und ich beschloss, die Sache vorerst auf sich beruhen
zu lassen. Ein weiteres Rätsel, das ich irgendwann lösen würde.
Mike, der
übrigens die Nachricht von der baldigen Rückkehr seines Vaters ziemlich
gleichmütig aufgenommen hatte, sah ich in den Ferien kaum. Ständig war er
unterwegs. Da auch ich mich kaum in unserer gemeinsamen Bleibe aufhielt,
dauerte es eine geraume Weile, bis ihm auffiel, mit wem ich neuerdings meine
Zeit verbrachte – auch wenn ihm nicht klar war, wie vielZeit.
„War das nicht
dieser Arik?“, empfing er mich am letzten Freitag in den Ferien, nachdem der
Genannte mich mit seinem Motorrad vor der Haustür abgesetzt hatte und
weggefahren war. Ich hatte nicht bemerkt, dass Mike auch gerade erst zur Tür
hereingekommen war und so unseren Abschied noch mitbekommen hatte.
„ Yep “,
erwiderte ich kurz und drängte mich an ihm vorbei zur Garderobe, wo ich
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