Hinter der Nacht (German Edition)
Probe. Die Woche verstrich,
ohne dass ich irgendein Lebenszeichen von ihm bekommen hätte. Wenn ich nur
gewusst hätte, was diesmal sein Verschwinden ausgelöst hatte. Eigentlich war
doch nichts Schlimmes gesagt worden. Nichts, was er irgendwie in den falschen
Hals bekommen haben könnte. Wieder und wieder ließ ich das Gespräch Revue
passieren, aber mir fiel einfach nichts ein, was Ariks Verhalten erklärt hätte.
Nachforschungen
Clarissa
„Wie kann man
herausfinden, wann und woran ein Mensch gestorben ist?“
Patti schaute
mich erschrocken an. Wir verließen gerade gemeinsam die Sporthalle. Es war
Donnerstagnachmittag, drei Tage nach Ariks Abgang, und von ihm fehlte weiterhin
jede Spur. „Clarissa! Wer ist gestorben?“
„Niemand“,
beschwichtigte ich rasch. „Es ist nur – du weißt doch, Arik ist mal wieder
weg.“ Ich hatte ihr während des Umziehens die jüngsten Ereignisse in einer
Kurzfassung berichtet. „Und ich werde den Gedanken nicht los, dass das
irgendwas mit seiner Mutter zu tun hat. Und da dachte ich, dass ich vielleicht
etwas mehr herausfinden könnte.“ Auf diese Idee war ich bei meinen nächtlichen
Grübeleien gekommen, wenn ich mal wieder nicht schlafen konnte. Was in letzter
Zeit recht häufig vorkam.
„Hmm.“ Patti
runzelte nachdenklich die Stirn. „Vielleicht bei den Zeitungen? Die
Todesanzeigen? Ist sie denn in Schottland gestorben?“
Ich erinnerte
mich daran, dass Arik gesagt hatte, er sei noch nie woanders gewesen, und nickte.
„Gut, das grenzt
die Suche etwas ein. So viele größere Zeitungen haben wir hier nicht.
Vielleicht kriegt man ja übers Internet was raus.“
„Das wäre ein
Anfang“, stimmte ich zu. Ich beschloss, gleich jetzt noch in die Bibliothek zu
gehen, die auch Computerarbeitsplätze hatte, und mit der Suche zu beginnen.
Zwar könnte ich auch den PC zu Hause benutzen, aber ich wollte lieber erstmal
nicht, dass Mike etwas davon mitbekam. Er hatte im Moment anderes im Kopf.
Mike war vollauf
damit beschäftigt, Vorbereitungen für die kommenden Großereignisse – die
Ankunft seines Vaters, seinen Geburtstag und die zu diesem Anlass geplante
Party – zu treffen. Ich hatte ihm meine Hilfe angeboten, aber er hatte
abgewinkt mit dem Hinweis, dass er alles „voll im Griff“ habe. Das einzige,
worum ich mich also in der Hinsicht kümmern müsste, wäre ein passendes
Geschenk. Was mir wiederum einiges Kopfzerbrechen bereitete. Bis jetzt hatte
ich noch keine zündende Idee.
Ich blieb so
lange vor dem PC, bis ich rausgeworfen wurde, und fand auch eine Menge
Todesanzeigen, doch nichts, was mir irgendwie weiterhalf. Allerdings waren
meine Anhaltspunkte auch eher dürftig. Ich kannte Ariks Nachnamen sowie seinen
Geburtsort und wusste, dass er Schottland noch nie verlassen hatte, was es
zumindest halbwegs wahrscheinlich machte, dass seine Mutter auch hier gestorben
war, außerdem konnte ich aus seinen Erzählungen den vermutlichen Todeszeitraum
auf etwa ein Jahrzehnt eingrenzen - aber das war auch schon alles. Wobei es ja
auch noch sein konnte, dass seine Mutter gar nicht den gleichen Familiennamen
gehabt hatte wie er. Das kam schließlich vor. Ich zum Beispiel trug den Namen
meines Vaters, Choe, während Amanda ihren Mädchennamen niemals abgelegt hatte.
Auch unter „Arik East“ gab es haufenweise Treffer – aber keinen einzigen, der
auch nur im Entferntesten mit ihm zu tun haben könnte. Bei Bibliotheksschluss
brach ich meine Suche ergebnislos und frustriert ab. So würde ich nicht
weiterkommen. Ich musste mir bessere Recherchemethoden überlegen, wenn ich
nicht einfach aufgeben und auf Ariks baldige Rückkehr hoffen wollte, um ihm
dann mehr persönliche Informationen zu entlocken.
Als ich abends
im Bett lag und wie üblich nicht einschlafen konnte, war ich ziemlich genervt.
Warum musste er so rücksichtslos sein? Warum konnte er nicht etwas weniger an
sich und mehr an seine Mitmenschen – wie zum Beispiel mich – denken? Bedeutete
ich ihm denn so wenig? Deprimiert gestand ich mir ein, dass es wohl genau so
war. Er hatte mich ja gewarnt, dass er nicht gut für mich sei. Sogar mehr als
einmal. Und er hatte alles getan, um mir aus dem Weg zu gehen. Wenn ich nun
allein hier im dunklen Zimmer lag und nicht einschlafen konnte, hatte ich mir
das ausschließlich selbst zuzuschreiben. Ihm konnte ich keinen Vorwurf machen.
Doch diese späte Selbsterkenntnis machte es auch nicht leichter.
Auch am Freitag
bekam ich vom Unterricht so gut wie nichts mit
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