Hinter Geschlossenen Lidern
hatte gedacht, er würde sich heimlich aus meinem Zimmer schleichen, aber dem war nicht so. Die Anzughose in der Hand und als hätte er seine Nacktheit überhaupt noch nicht bemerkt, kam er auf dem Weg zur Dusche zu mir herüber. Verlegen kratzte er sich am Kopf.
“Tut mir leid, ich hab wohl in deinem Bett gepennt ...”
Er zögerte und ich musste mich schwer beherrschen, nicht auf seine Morgenlatte zu starren. Er war noch nie sonderlich schamhaft gewesen und ich hatte kein Problem damit gehabt – bis jetzt.
“Mann, hab ich gestern einen abgebissen. Wann bist du denn nachhause gekommen?”
“Keine Ahnung, war schon spät ...”, ich wollte ihn anlügen, ich hätte es gar nicht mehr bis in mein Zimmer geschafft. Aber dann brachte ich es einfach nicht über die Lippen. Im Gegenteil, mit einemmal war ich enttäuscht, dass er sich so offensichtlich nicht an mich erinnerte.
“Sag mal, wolltest du nicht duschen gehen?”, sagte ich mürrisch und warf die Decke beiseite. “Sonst geh ich nämlich.”
Und da erwischte nun ich ihn, wie er krampfhaft wegguckte. Hatte er das sonst nie getan, oder fiel es mir jetzt zum ersten Mal auf? Er war also doch empfindsamer, als er immer tat. Jedenfalls besserte sich meine Laune merklich. Unternehmungslustig stieg ich von der Couch. Vielleicht konnte ich ihn ja noch mehr in Verlegenheit bringen, dachte ich lüstern und vergaß dabei, dass ich meine Homosexualität vor ihm verbergen wollte.
“Du kannst dir ja schon mal die Zähne putzen, während ich schnell unter die Dusche springe.”, sagte ich scheinheilig und als liefe ich bei der Haute Couture über den Laufsteg, ließ ich meinen Knackpo ordentlich wippen, als ich ihm voraus zum Bad ging. Er blieb verwirrt stehen und sah mir nach. Ich erwischte ihn dabei, als ich mich nach ihm umsah, bevor ich im Bad verschwand. Er stand immer noch mitten im Raum und rieb sich den Schädel.
Plötzlich tat er mir leid. Wahrscheinlich wusste er selbst nicht, wie ihm geschah. Erst mal würde ich ihm ein Aspirin auflösen. Ich nahm schnell ein frisches Zahnputzglas aus dem Schrank, füllte Wasser ein, ließ zwei Brausetabletten hineinfallen und gab es ihm, als er hereinkam.
“Danke, das kann ich jetzt gebrauchen ... Mann, ich fühle mich gar nicht gut.”
Ich murmelte etwas Tröstliches und sah ihn mir genauer an.
“Deine Augen sind ganz rot unterlaufen. Du solltest wirklich weniger trinken.”
Er lachte auf, verstummte aber abrupt und hielt sich den schmerzenden Kopf.
“Das nehme ich mir auch jedes Mal vor.”
Ich konnte es ihm nachfühlen und nickte. “Ich kenne das – aber frag mal deine Leber, was die dazu sagt. Ähm …“ Ich kratzte mich verlegen am Kopf. Sollte ich das wirklich ansprechen? Aber dann entschied ich mich dafür. Es musste wirklich etwas geschehen. „Was hältst du davon, wenn wir uns nach einer Klinik für dich umsehen?”
“Klinik? … Oh, verdammt, was fällt dir ein? Ich brauche keinen Entzug!”, fuhr er auf, stieß mich vor die Brust, dass ich rücklings gegen die Kacheln krachte und nagelte mich dort mit einer Hand auf seiner Brust fest. Oh je, da hatte ich ja was angerichtet.
“Ich bin verzweifelt, nicht süchtig, klar?”, schrie er mir ins Gesicht. Das Rot seines Augapfels ließ die dunkle Iris mit den türkisfarbenen Sprenkeln in Flammen aufgehen.
Vorsichtig sortierte ich meine Knochen. Soweit schien noch alles heil zu sein.
“Wegen dieser Frau?”, fragte ich vorsichtig, um ihn von mir abzulenken, denn er kroch mir fast ins Gesicht, während er mich immer noch drohend anstarrte, als hätte er vergessen, was er mit mir machen wollte. Dabei hätte ich ihn am liebsten an mich gezogen, um mich im Sturm von ihm erobern zu lassen. Jason war vergessen. Für noch so einen Kuss von Clive wie gestern Nacht hätte ich meine Seele gegeben.
Aber er ließ mich los und wandte sich stumm ab.
“Ich will nicht darüber sprechen.”, sagte er leise und stieg unter die Dusche.
Es war nicht einfach nach der Sache mit Clive, aber irgendwie schaffte ich es, mich einigermaßen wieder auf den Rechtsstreit zu konzentrieren. Clive tat, als sei nichts gewesen, hatte er wirklich solch einen Blackout? Ich hoffte ja, denn alles andere wäre zu beschämend gewesen. So war es leichter. Leichter, aber auch unbefriedigend, denn eigentlich wollte ich es gar nicht auf sich beruhen lassen.
Hätte ich Zeit gehabt, hätte ich ihm vielleicht doch noch alles gebeichtet. Oder nein, was machte ich mir vor? Ich war eben ein Feigling. Und wo
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