Hinter Geschlossenen Lidern
ich sie interessant mit ihrem klar geschnittenen Mund und den intensivgrünen Augen, die rot und geschwollen waren vom vielen Weinen. Eitel war sie jedenfalls nicht und es war echte Trauer, die ich da in ihrem trostlosen Blick sah.
Sie erzählte, was passiert war.
“Carl ist vor dem Abendessen einfach in seinem Sessel eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht” Ihre Augen füllten sich mit stillen Tränen, sie ließ sie einfach laufen.
“Zuerst war ich so geschockt, das ich nicht klar denken konnte. Meines Wissens war niemand bei uns im Haus und er ging ja auch kaum weg ohne mich. Zum Hafen nahm er mich immer mit. Dann dachte ich an sein Handy und checkte die Anrufe, die er erhalten hat. Da waren drei von einem Anschluss, dessen Kennung unterdrückt war. Ich rief die Telefongesellschaft an und da Carls Name doch einiges Gewicht hat, haben sie mir schließlich die Nummer gegeben.“
Sie kramte einen Zettel aus ihrer Handtasche und schob ihn meinem Vater über den Tisch zu. „Sie ist mir völlig unbekannt und dort meldet sich auch niemand.” Anne barg ihr Gesicht in den Händen, ihre Schultern zuckten. Milan legte den Arm um sie und zog sie tröstend an sich.
“Wenigstens gab es nach seinem Tod noch Scott und Alishia. Wir haben uns gegenseitig Halt gegeben und nun hat diese Frau sie auch noch entführt.” Mit tränenüberströmtem Gesicht sah sie auf.
“Glauben Sie, dass es ihnen gut geht?”, fragte sie meinen Vater mit banger Stimme.
“Bestimmt, sie ist schließlich ihre Mutter.”
Anne nickte. “Ja, so denken die meisten. Eine Mutter habe ganz einfach diesen Instinkt ... doch so ist es nicht, nicht immer. Meine Mutter hat mich geschlagen und hungern lassen, als ich klein war. Sie gab mir die Schuld daran, dass mein Vater uns noch vor meiner Geburt verlassen hat.”
“Das tut mir leid.”, sagte Adam mit einem Anflug von echtem Mitgefühl in der Stimme.
“Milan und ich haben das Sorgerecht! Carl wollte es so.”, sagte sie trotzig und holte nun doch ein Papiertuch aus ihrer Handtasche.
“Sie werden es auch bekommen.”, versprach Adam, was ihm gar nicht ähnlich sah. Überrascht sah ich zu ihm hinüber. Als Anwalt vermied er Versprechungen, denn solche Dinge ließen sich nie vorhersagen. Anne hatte es tatsächlich geschafft, das Herz meines Vaters anzutauen. Mit grimmiger Miene zog er ein Handy aus der Tasche und legte es auf den Tisch.
“Scott ist es irgendwie gelungen, mir dieses Handy zu schicken.”, sagte er und überraschte damit alle. Der Junge war so clever, ein Gespräch mit seiner Mutter aufzunehmen, in dem sie ihn unter Druck setzt. Es muss ein paar Tage vor der Entführung stattgefunden haben. Sie verlangt von ihm, eine Vollmacht zu unterschreiben. Als er sich weigert, droht sie ihm, ihn und Alishia in ein Internat zu schicken. Und sie würde dafür sorgen, dass er so schnell nicht wieder nachhause kommt.”
Mit einem entschlossenen Blick auf Anne schaltete er das Gerät ein und spielte die Aufnahme ab. Annes kleine Hand krampfte sich um Milans, als sie Scott auf dem Band sprechen hörte.
Brittanys Stimme klang schrill aus dem winzigen Lautsprecher. Immer wieder warf sie ihrem Sohn Undankbarkeit vor und ließ wirklich nichts aus. Ohne ihre Hilfe könne er das Unternehmen nicht vor den Haien schützen, die nur darauf warteten, über den fetten Brocken herzufallen und ein großes Stück herauszureißen. Sie aber sei bereit, Tag und Nacht zu arbeiten, sich aufzuopfern und sich den Feinden entgegenzustellen. Doch sie brauche dazu die Entscheidungsgewalt.
Es war ganz klar – sie war der Hai, der sich nicht nur mit einem Biss zufrieden geben würde. Gab Scott ihr erst einmal eine Vollmacht, würde sie ihn nur allzu schnell völlig ausbooten. Vom Erbe seines Vaters würden weder Scott noch seine Schwester je etwas sehen.
“Er sagt hier ganz klar, dass er bei Ihnen und Milan bleiben will.”, brach Adam schließlich das ungläubige Schweigen der Anwesenden.
Anne lächelte vorsichtig. “Dann haben wir etwas gegen sie in der Hand?”
“Es wird wohl nicht standhalten vor Gericht, wenn Scott nicht aussagt. Was Brittany ganz sicher verhindern will, deshalb die Entführung. Er ist ja noch minderjährig. Wir werden sehen, was sich machen lässt.”
Als er geendet hatte, trat betroffenes Schweigen ein. Dann erzählte ich, was mir Stone berichtet hatte. “Kann also gut sein, dass dieser ganze Plan mit dem gefälschten Testament und der Entführung von dem Unbekannten stammt, mit dem sie zusammen ist. Wenn
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