Hinter Geschlossenen Lidern
weiter.”, sagte Adam, als ich auf der Couch liegend wieder zu mir kam und brav den Kamillentee trank, den Ms. Digsby mir eigenhändig gekocht hatte.
“Was ist das für eine Sache mit Clive? Ms. Digsby meint, er sei verschwunden?”
Es war so ungewohnt, dass mein Vater sich für meine Angelegenheiten interessierte, dass ich eine Weile brauchte, um mir darüber klar zu werden, wieviel ich ihm eigentlich erzählen wollte. Doch als ich erst einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Ich musste mich einfach jemandem anvertrauen, allein wurde ich nicht mehr damit fertig.
Darüber, dass ich schwul war, regte Adam sich gar nicht auf. Es war ein Witz. Da hatte ich mich jahrelang damit gequält, es geheimzuhalten, hatte sogar Clive misstraut und dann akzeptierte mein Vater es einfach so, als wäre es nichts weiter als eine Randbemerkung. Anscheinend hatte er doch genauer hingesehen, als ich dachte und wusste es längst. Trotzdem hätte ich ihm seine lässige Reaktion niemals zugetraut, so streng und konservativ, wie er uns erzogen hatte. Solange ich denken konnte, hatte ich ordentlich
Respekt vor ihm gehabt und auch meinem Bruder war das
Grinsen jedes Mal vergangen, wenn er ihn zu sich in sein
Arbeitszimmer zitierte.
Jedenfalls kannte er Braden und auch in etwa die Rolle,
die er in meinem Leben gespielt hatte. Als ich ihm nun
erzählte, was ich in der Nacht erfahren hatte, wie sehr
Braden mich gequält und was Frank Stone über ihn herausgefunden hatte, sah ich meinen Vater zum ersten Mal
außer sich vor Zorn. Mit glühenden Augen sprang er auf
und rief nach Ms. Digsby.
“Rufen Sie bei der Militärpolizei an wegen Braden
Dwight Wainwright. Ich will wissen, was es mit seiner
Verwundung im Irak auf sich hat und ob er ordnungsgemäß aus der Armee entlassen worden ist.“
Eine Woche später saß Braden wegen Fahnenflucht im Gefängnis. Entgegen seiner ziemlich theatralischen Tränendrüsen-Geschichte war die Kugel in seiner Brust damals herausoperiert worden. Sie steckte nicht in der Nähe seines Herzens, wie er mir hatte weismachen wollen, sondern lag längst auf irgendeiner Mülldeponie.
Nach seiner Genesung jedoch hatte er sich nicht bei seiner Einheit zurückgemeldet sondern versucht, über Brittany Brunnweiser an Geld zu kommen. Denn seine vornehme Familie hatte ihm ihre Unterstützung entzogen, als er das Studium abbrach, um zum Militär zu gehen.
Er hatte sich in dieser Nacht auch nicht aus Sehnsucht nach mir betrunken sondern wegen des Unfalls mit Adam, an dem er sich schuldig fühlte. Während der Fahrt hatte er nämlich seinen Kopf in Adams Schoß gehabt und das nicht, um die Nieten an dessen Jeans zu zählen.
Vater erfuhr das alles, als er ihn im Gefängnis mit seinen Lügen konfrontierte. Ihm hatte Braden nicht so leicht ausweichen können wie mir.
Den Mord an Carl Brunnweiser konnten wir ihm nicht nachweisen, aber wenigstens kamen Scott und Alishia zu ihrem Recht.
Nur von Clive hatte ich immer noch nicht die geringste Spur. Die ersten Tage ohne ihn allein in der Wohnung waren mörderisch. Tagsüber konnte ich meine Sehnsucht nach ihm und die nagende Einsamkeit in Arbeit ersticken. Nachts jedoch war ich meiner inneren Unruhe hilflos ausgeliefert. Robin schickte mir Clives Schlüssel und die Schenkungs-Urkunde, die ich erst einmal gründlich mit meinen Tränen aufweichte und dann wegwarf. Ich vermisste ihn so sehr, dass es wehtat.
Eine Zeit lang schluckte ich Schlaftabletten und als die nicht mehr halfen, betrank ich mich, bis ich fürchtete, zum Alkoholiker zu werden, wenn ich so weiter machte. Also ging ich nachts wieder ins ‘Katrinas’ tanzen, um müde zu werden, wie ich es schon in meiner Zeit mit Dan getan hatte.
Das half eine Weile und irgendwann lernte ich, besser mit mir selbst zurechtzukommen. Von da an machte es mir nicht mehr so viel aus, auch mal einen Abend allein zu bleiben, ohne mich ablenken zu müssen. Es brachte mir viel, still dazusitzen, über mich und mein Leben nachzudenken oder mich bei einer von Clives alten Blues-Platten einfach nur zu entspannen. Zum ersten Mal fühlte ich mich wirklich als Kapitän auf meinem eigenen Schiff. Ich sah jetzt alles so klar vor mir, dass es ganz einfach schien: Ich hatte mich für Clive entschieden und egal, wie sehr ich litt, nie wieder würde ich Kompromisse eingehen, nur um nicht allein zu sein.
Mein Vater hatte sich inzwischen ein Herz gefasst und war mit Anne ausgegangen. Er mochte sie und sie ihn, das war nicht zu übersehen.
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