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Hinter Geschlossenen Lidern

Hinter Geschlossenen Lidern

Titel: Hinter Geschlossenen Lidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters , Carolin Wagner
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war das Straußenküken, das in meinem Kopf herum trampelte und das Weiße aus meinen Augen pickte.
    Die Unruhe in meinem Inneren zwang mich irgendwann wieder auf die Beine. Draußen unter dem Fenster hatte der Berufsverkehr längst begonnen, während die Sonne sich noch einmal in ihrem Wolkenbett umdrehte und die Decke über beide Ohren zog. Dennoch holte ich meinen Mietwagen aus der Tiefgarage und kurvte damit durch das graue Oslo. Ich musste einfach raus aus dem Hotel.
    Auf dem Weg zum Hafen stand ich im Stau und schaltete das Radio ein. Aber die dunklen Vokale des Nachrichtensprechers erinnerten mich an Dag. Dann stockte der Verkehr ganz und mein Blick fiel auf die Ecke gegenüber. Vor der grün gestrichenen Tür mit dunkelgelbem Bleiglasfenster nutzte ein Mädchen mit weißblondem durchnässten Haar und einem Schulranzen auf dem Rücken die Stufen, um den Fuß aufzustellen und sich die Strümpfe hochzuziehen. Hier war ich also gelandet.
    Ein Retriever mit glänzend schwarzem Fell kam mit schnellen Schritten heran. Er sah gar nicht aus wie ein Streuner, dachte ich, als wäre dieser Hund im Augenblick das wichtigste auf der Welt. Das Fallrohr der Regenrinne lenkte ihn von seinem Weg ab wie ein Magnet. Konzentriert schnüffelte er an den Flecken an der Wand und am Boden in der Ecke. Hinterlassenschaften der Kneipensäufer, die auf den ersten Schritten in der Kälte der Nacht an ihre volle Blase erinnert wurden.
    Ein Stück weiter überquerte ein Mann im grauen Regenmantel und Aktentasche unter dem Arm zielstrebig die Straße und eilte vorbei. Keiner der drei schenkte der grünen Tür auch nur die geringste Beachtung.
    ‘Hey, passt auf, das ist das Tor zur Geisterwelt! Ein Schritt zuviel und sie machen aus euch kleine Zombies.’, hätte ich ihnen am liebsten zugerufen. Dabei wirkte die Tür bei Tag noch unscheinbarer als gestern Nacht – schmutzig und heruntergekommen. Ich stöhnte. Das Radio, die Straßen, die grüne Tür – frustriert suchte ich in Gedanken nach einem Ausweg. Hier in Oslo würde ich meinen Dämonen wohl kaum entkommen.
    Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Dann wendete ich mitten in der Schlange, verschloss vor dem Hupkonzert meiner lieben Mitmenschen beide Ohren und fuhr fluchtartig Richtung Autobahn, fuhr weit ins Hinterland hinaus. Über dem Meer rissen die Wolken von Zeit zu Zeit auf, doch ich achtete kaum auf die Landschaft.
    Am Abend war ich genauso schlau wie vorher nur noch müder. Irgendwann saß ich nach einer weiteren schlaflos verbrachten Nacht auf dem Bett, starrte in die Dunkelheit und wusste nur eins: Ich vermisste Dag. Er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Nachts sah ich im Halbschlaf seine Bernstein-Augen und am Tag fühlte ich seinen Blick auf meinem ständig halbsteifen Glied. Ich konnte nicht essen und nicht schlafen und seinen Duft bekam ich nicht mehr von der Haut. Es konnte doch nicht sein, dass ich wirklich Sex haben wollte mit einem Mann?
    Aber so durfte es auch nicht weiter gehen, ich musste mir Gewissheit verschaffen, denn anstatt es zu vergessen, wurde meine Unruhe immer größer. Ich sprang auf, zog meine Jogging-Schuhe an und lief in der Morgendämmerung zum Hafen und am Wasser entlang, um den Kopf freizubekommen. Ich ließ mir den Wind durchs Gehirn blasen, kam endlich in meinen Rhythmus und powerte mich richtig aus – es nützte nichts und irgendwann sah ich es ein: Das war keine Krankheit, ich war auch nicht verrückt geworden, mit mir war alles in Ordnung. Ich wollte ihn einfach nur sehen – jetzt, sofort und unbedingt.
    Gegen Mittag gab ich auf und rief ihn an.
Er zeigte keine Überraschung. “Komm nach Larvik.”, sagte er. “Das ist zwei Stunden von Oslo am Fjord entlang zum Meer hin. Ich hab da eine Hütte. Dann reden wir.”
    Ich legte auf, packte ein paar Sachen und fuhr los. Das Navi hatte keine Schwierigkeiten, Larvik zu finden. Die Stadt lag an einer Meeresbucht westlich der OslofjordMündung. Die felsige Landschaft war durchzogen von größeren oder kleineren Meeresarmen und Flüssen – ich achtete kaum darauf, bis ich endlich da war und die Staversveien stadtauswärts nahm. Die Sonne hatte sich gerade ein paar Ellenbogen verschafft und kämpfte erfolgreicher gegen die schweren Wolken. Über dem Meer war es bereits blau, nur eine Menge zerzauster schwarzweißer Schäfchen bevölkerten noch den Himmel.
    Ich klickte die Fenster hinunter und ließ mir den Duft nach Tang um die Nase wehen. Hinter Tinvik fuhr ich langsamer, aber ich musste

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