Hinter verschlossenen Türen
Eifer.
Lassen Sie mich zuvor diese lästigen Dinger los werden!bemerkte Molesworth; sie sind mir nur im Wege bei den Kranken. Damit zog der seltsame Mann seine Manschetten aus und steckte sie in die Tasche seines Ueberziehers, der an der Wand hing. Dann schritten sie zusammen vertraulich plaudernd durch den Krankensaal.
Genofeva war nicht wohl zumute; sie hatte sich den Besuch anders vorgestellt und war froh, daß sie still nebenher gehen durfte, ohne sich in die Unterhaltung zu mischen. Als die Runde endlich zu Ende war und sie eben den Saal verlassen wollten, hörten sie Molesworth einen Ruf der Ueberraschung ausstoßen. Kameron wandte sich fragend zurück.
Es ist nichts, lachte Molesworth; meine Manschetten sind nur aus dem Ueberzieher verschwunden. Der Verlust ist nicht groß, aber doch ärgerlich.
Der kleine schmächtige Mensch wird sie genommen haben, hörte er eine Stimme neben sich sagen, er kam herein, gerade als –
Aber Kameron wollte seine Frau nicht noch länger warten lassen; der Vorfall war ja gar zu unbedeutend. Er würde ihm wohl wichtiger erschienen sein, hätte er gewußt, daß auf Molesworths Manschette in großen Buchstaben folgende Worte mit Bleistift geschrieben waren, die Genofeva in dem Augenblick, als er ihr die Hand reichte, erblicken mußte:
»Seien Sie auf der Hut; meine plötzliche Freilassung ist verdächtig.«
Achtzehntes Kapitel.
In der großen Welt war die merkwürdige Veränderung von Frau Kamerons äußerer Erscheinung natürlich nichtohne Aufsehen geblieben. Man sprach allgemein darüber, teils um ihr zu schmeicheln, teils um sich in Vermutungen über die Ursache eines so seltsamen Vorfalls zu ergehen. Bei der großen Bewunderung, die ihre Schönheit hervorrief, fehlte es auch nicht an Neidern, die ihren Stolz tadelten und ihr Benehmen teils freier, teils weniger rücksichtsvoll fanden, als vor ihrer Verheiratung; schien sie doch manche ihrer alten Bekannten sogar völlig zu übersehen. Derartige Bemerkungen mochten wohl Genofeva zu Ohren gekommen sein, denn während die glänzenden Gesellschaften und rauschenden Vergnügungen sie zuerst entzückten, verlor sie mehr und mehr den Geschmack daran, und man sah sie oft mitten in der festlichen Menge halb verächtliche, halb ängstliche Blicke um sich werfen. Zugleich wurden auch ihre Wangen bleicher, und ihr Gesundheitszustand so schwankend, daß Doktor Kameron ihr größere Ruhe verordnete. Als nun aber bei dem abgeschlosseneren Leben ihre Mattigkeit und Schwermut nur wuchsen, fürchtete er, daß ein ernsteres Uebel zugrunde liegen möchte als der Rheumatismus, über den sie noch dann und wann klagte, und begann sie schärfer zu beobachten.
Das schien aber die Sache nur zu verschlimmern. Sie wich seinen Blicken aus und schrak oft bei dem geringsten Geräusch, dem Ton einer Klingel oder einer unerwarteten Anrede so heftig zusammen, daß ihm ihre nervöse Erregtheit ernstliche Sorge bereitete. –
Es war Abend. Das Paar kam eben von Genofevas Eltern zurück, bei denen es gespeist hatte, und Kameron bemerkte, daß sich seine Frau in der trüben Stimmung befand, die sie von jedem Besuch im Hause Gretorex mitbrachte. Das nahm ihn nicht wunder, denn die frostige Atmosphäre, die dort herrschte, fiel auch ihm stets von neuem auf. Er suchte sich zwar dem stolzen Eisenbahnkönig als Schwiegersohn so angenehm wie möglich zu machen, doch fühlte erWohl, daß er weder in seinem Herzen noch in dem seiner aristokratischen Gattin eine Stätte besaß. Die beiden wechselten aber auch untereinander nie ein Zeichen von Zuneigung, und so war er es wohl zufrieden, ihre kühle Achtung zu besitzen und sein Glück in der Hingebung an seine Gattin zu suchen, welche jeden seiner Liebesbeweise mit rührendster Dankbarkeit erwiderte.
Die jungen Ehegatten saßen im Wohnzimmer, und Kameron sprach in heiterem Ton zu Genofeva, die er gern wieder lächeln sehen wollte. Sie aber schaute zerstreut auf die prächtige Gestalt im grauen Samtkleid mit Perlenschmuck in dem gegenüberhangenden Spiegel. Ihr Gatte folgte ihren Blicken und rief lachend:
Nicht wahr, eine stolze Erscheinung? Hättest du je gedacht, Genofeva, du würdest einmal eine berühmte Schönheit werden?
Sie erhob sich schnell und kniete an seiner Seite nieder. Bin ich hübsch, fragte sie, gefalle ich dir?
Nicht hübsch bist du, nein, von imponierender Schönheit, Ich liebe dich und staune über dich. Du bist so ganz anders –
Du liebst mich, Walter, flüsterte sie, wirklich mich – oder
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