Hinter verschlossenen Türen
mir mit, bemerkte er, daß seltsame Tatsachen über das Mädchen ans Licht gekommen sind, dessen Name neuerdings so häufig vor dir genanntwurde. Du allein, meint er, könntest Aufschluß darüber geben, und so habe ich ihn gebeten, sich direkt an dich zu wenden, da ich überzeugt bin, du wirst tun, was in deinen Kräften steht, um die Sache der Gerechtigkeit zu fördern.
Sie nickte zustimmend, scheinbar ohne die geringste Verlegenheit; doch als sie dann den Detektiv anredete, stieg ein leichtes Rot in ihre Wangen.
Ich weiß, sagte sie, ich habe durch meine früheren falschen Angaben Ihr gerechtes Mißtrauen erregt. Was mich damals bewog, von der Wahrheit abzuweichen, mag Ihnen nichtig erschienen sein, indes existiert jener Grund nicht mehr für mich. Wenn Sie mir also Fragen vorzulegen wünschen, werde ich mich bestreben, sie so gut ich kann der Wahrheit gemäß zu beantworten.
Sie sprach mit so viel Anmut und Würde, daß ihre Worte auf Gryce nicht ohne Eindruck blieben, obgleich die höfliche Förmlichkeit seines Wesens nichts davon verriet.
Mehr verlange ich nicht, erwiderte er, sich verbeugend.
Genofeva sah, daß sein Argwohn noch rege war und nahm sich zusammen. Was für Tatsachen haben Sie entdeckt? forschte sie.
Gestatten Sie mir zuerst eine Frage: bei unserer letzten Unterredung teilten Sie mir mit, Sie hatten Mildred Farley in Ihrem Zimmer zurückgelassen, als Sie zur Trauung gingen. Befand sie sich damals körperlich wohl und bei guter Gesundheit? – Dies zu erfahren ist uns von höchster Wichtigkeit.
Was auch Genofeva erwartet hatte, hierauf war sie nicht vorbereitet. Sie zögerte einen Augenblick, um ihren Ideengang zu ordnen.
Wünschen Sie nicht zu antworten? fragte Gryce.
Ich überlege nur, worauf Ihre Frage zielt, versetzte sie langsam.
Die Worte berührten ihn sonderbar. – Konnte esmöglich sein, daß dieses schöne, unnahbare Weib selbst bei der Sache beteiligt war? Bangte ihr vor Entdeckung? Zwang er sie vielleicht, unbilligerweise Zeugnis gegen sich selber abzulegen? – Ein Blick in ihr Antlitz beruhigte ihn wieder. Dort lauerte kein versteckter Dämon; nur Bestürzung las er darin und jene unvernünftige Aengstlichkeit, wie er sie bei einem polizeilichen Verhör an Frauen schon gewohnt war. Er beschloß sofort zur Sache zu kommen.
Vor allem möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, sagte er, daß ich hier keine Anklage vorzubringen, sondern eine Untersuchung zu führen habe. Ich will ermitteln, ob Mildred Farley einen Selbstmord beging oder ermordet wurde. Welcher Art die Tat auch gewesen ist, jedenfalls hat sie in Ihrem Zimmer stattgefunden, Frau Doktor, während Sie unten bei der Trauung waren.
Sie fuhr unwillkürlich mit der Hand nach dem Herzen, schien aber diese Gefühlsäußerung sofort zu bereuen. Warum wohl? Ihre Erregung über eine solche Mitteilung war ja nur zu natürlich.
Woher wissen Sie das? fragte sie ungläubig. Vielleicht weil man den Schrei gehört hat?
Das nicht gerade; doch sollen Sie auf der Stelle erfahren, woher ich es weiß. Gryce schritt nach dem Vorhang hin, der das Gemach von dem Sprechzimmer trennte, schlug diesen zurück und winkte dem Mädchen, das in seiner Begleitung gekommen war.
Genofeva beobachtete ihn mit äußerster Spannung; sie schien alles um sich her vergessen zu haben. Was will er tun? Wen bringt er da? fragte ihr Blick. Auch als das Mädchen über die Schwelle trat und ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, veränderte sich ihr Ausdruck nicht. Nur Verwunderung und Ungewißheit sprachen aus ihren Mienen.
Sie kennen diese Person? fragte der Detektiv.Genofeva blickte sie verächtlich an.
Was soll sie hier? fragte sie.
Ich weiß selber nicht, stammelte das Mädchen. Der Herr hat mich hergebracht, er sagte, Sie würden freundlich zu mir sein, aber ich weiß, Sie können mich nicht leiden. Ich wollte niemand erzählen, was ich gesehen habe, aber die Herren fragten so lange, bis sie alles wußten.
Wovon spricht sie? fiel hier Genofeva streng und kalt ein; ich verstehe ihre Anspielungen nicht, sie muß sich deutlicher erklären.
Erzählen Sie Ihre Geschichte, befahl Gryce kurz.
Das Mädchen sah sich verlegen um.
Ach, hätte ich geahnt, was daraus entstehen würde, begann sie und senkte die Augen wieder, welche sie einen Moment zu Genofeva erhoben hatte. Ich habe immer an den Türen gehorcht und durch die Schlüssellöcher geschaut; ich weiß, es war unrecht, aber ich wollte erfahren, was das Mädchen so lange in Ihrem Zimmer
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