Hinter verschlossenen Türen
nur meine Schönheit? Würde dein Herz noch ebenso zärtlich für mich schlagen, wenn ich deinen Augen weniger wohlgefällig wäre? Besinne dich wohl, ehe du mir antwortest, es ist mir heiliger Ernst mit der Frage: Wie groß ist deine Liebe für mich?
Kameron fühlte sich durch ihren Blick noch mehr ergriffen, als durch ihre Worte.
Du bist mein Weib, sagte er, ich habe dich vor allen erwählt und würde dich auch jetzt einzig mir zum Eigentum erwählen. Ich liebe deine Schönheit – wie wäre das anders möglich – aber ich liebe auch, was diese Schönheit beseelt und belebt. Hätte ich nur die Wahl zwischendeiner reizenden Gestalt, hinter der sich ein kaltes, falsches Gemüt verbärge, und deinem Geist, deinem Herzen, deiner ganzen Natur in einem unschönen Körper, ich würde –
Was würdest du wählen? unterbrach sie ihn gespannt mit bebenden Lippen.
Dein innerstes Selbst, dein Wesen, das weiß ich, Genofeva. Es übt einen unwiderstehlichen Zauber auf mich aus, dem ich mich willig hingebe. Du bist mir oft rätselhaft, aber deine ganze Persönlichkeit zieht mich an und fesselt mich weit mehr, als bloße Anmut und Schönheit es je vermöchte.
Bin ich dir ein Rätsel? flüsterte sie; der Tag wird kommen, der es löst, aber wirst du mich dann auch noch lieben?
Er lächelte sie vertrauensvoll an.
Würdest du mich noch lieben – sie schlug die Augen nieder – wenn du erführest, ich hätte etwas vor dir verborgen, was du wissen solltest, daß ich schon früher einmal geliebt, daß ich nicht sei, wofür du mich gehalten, als du mir deine Hand botest? Wenn nun mein Leben ein Geheimnis enthielte, wie das so mancher Frau, und obgleich mein Herz von jedem Vorwurf rein wäre, doch finstere, quälende Gedanken mir oft das Glück und den Frieden der Gegenwart trübten?
Genofeva! rief er aus, und ein harter Zug lagerte um seinen Mund; seine Miene war ernst: Birgt dein Leben ein solches Geheimnis? Hast du je einen andern geliebt?
Sie sah ängstlich zu ihm auf: Begehrst du eine Antwort auf die Frage? erwiderte sie.
Er blickte düster vor sich hin. Ihr Versprechen, ihm stets die Wahrheit zu sagen, war ihm eingefallen, und er zögerte. Wenn sie nun »ja« sagte – würde es sie beide glücklicher machen? Jetzt liebte sie ihn, sie waren Mann und Frau; schien es nicht unklug, längst vergangene Geschichtenwieder aufzurühren? Was berechtigte ihn denn, zu glauben, er sei ihre erste und einzige Liebe gewesen? Hatte nicht Genofeva Gretorex ihre Freier nach Dutzenden gezählt und konnte nicht leicht einer derselben auch ihr Herz eine Zeitlang erwärmt haben? Nein, er wollte die Frage auf sich beruhen lassen. Seine Liebe zu ihr war zu groß.
Ich begehre nichts, erwiderte er; die Vergangenheit ist begraben und kümmert uns nicht mehr. Dein Herz gehört jetzt mir, und wer das echte Gold gefunden hat, vergißt, daß er sich einst an Schlacken ergötzen konnte.
Sie hörte nur zerstreut auf seine Worte und schien ihren eigenen Gedanken nachzuhängen.
In Büchern liest man von leidenschaftlicher Liebe, sprach sie sinnend, für welche ein Mann alles opfert, was es Schönes und Köstliches auf Erden gibt. Ist das im Leben auch so? Kennst du zum Beispiel einen Menschen, der ein wirklich wertvolles Besitztum hingeben würde um einer Frau willen, deren Glück von ihm allein abhängt?
Kannst du denken – begann er.
Sie unterbrach ihn mit fester Stimme: Lebt wohl ein Mann auf Erden, der freudig mit einer Frau Schmach und Schande teilen würde?
Du stellst seltsame Fragen, Genofeva, erwiderte er. Schande ist ein hartes Wort. Es gibt keine größere Qual für einen stolzen Mann, als die, seinen ehrenwerten Namen unter den Mitmenschen einzubüßen.
Es war, als habe ein eisiger Hauch über sie hingeweht. Ist euch Männern der gute Ruf, das äußere Ansehen vor der Welt von so unvergleichlichem Wert? fragte sie. Ein Weib vermag doch alles zu opfern für den Mann, den sie liebt.
Ein liebendes Weib ist ein Engel; wir Männer aber verlieren nie unsere menschliche Schwäche. Andere Verluste mögen uns tief verwunden, uns das Leben verbittern, aberwenn dem Mann sein Beruf, seine Arbeit bleibt, so kann er sich stets daran wieder emporrichten. Nimmt man ihm aber die Achtung seiner Nebenmenschen und damit die Möglichkeit einer gedeihlichen Wirksamkeit unter ihnen, so ist sein Lebensnerv durchschnitten. Er ist nur noch ein Schatten von dem, was er war, wenn er keinem mehr frei ins Gesicht zu sehen vermag.
Es entstand eine kurze Stille, die
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