Hinter verschlossenen Türen
ernster aus als gewöhnlich, er blickte Kameron zweifelnd an.
Täuschen Sie sich auch nicht? fragte er mit Nachdruck. Einer schönen Frau glaubt der Mann oft alles.
Des Doktors Gesicht erglühte vor Zorn; seine Stimme klang gereizt.
Sie beleidigen mich noch in meinem Elend, rief er, senkte aber sofort die Augen vor des Inspektors Blick. Ich weiß, Sie verfolgen einen Zweck, setzte er hinzu. Sie wünschen nicht bloß, mich unnütz zu peinigen.
Ich wünsche zu ergründen, ob Genofeva Gretorex eine so oberflächliche Natur war, daß sie ihr Herz heute dem, morgen jenem schenken konnte.
Kameron sah den Sprecher an, und da er erkannte, daß es gefährlich sei, hierauf zu antworten, schwieg er.
Ein Weib, das so denkt und fühlt wie Genofeva Gretorex, nach dem, was sie in ihren Briefen ausspricht,fuhr der Inspektor unerbittlich fort, konnte unmöglich ihre Liebe mit aller ursprünglichen Kraft und Glut auf Sie übertragen und sich Ihnen so zu eigen geben, wie ich es nach Ihren Worten annehmen muß.
Der Doktor schwieg noch immer.
Wenn ein Zeitraum dazwischenläge, wenn sie aus Gleichgültigkeit und Niedergeschlagenheit zuerst zur Erkenntnis Ihrer Güte erwacht wäre und allmählich ihr Herz dem Manne zugewandt hätte, der sie so zärtlich liebte – dann würde ich ihr Verhalten begreifen. Aber sich von einer heftigen Leidenschaft ohne Uebergang in eine andere zu stürzen, scheint so unnatürlich, daß ich an Ihrer Stelle an der Aufrichtigkeit des Gefühls zweifeln würde.
Aber – wollte Kameron einwenden, doch kam er nicht weiter. Er sah sich in einem Netz gefangen und fand keinen Ausweg. Der Inspektor beobachtete ihn genau und fuhr mit scheinbarer Hartherzigkeit fort:
Sie würden mir gewiß beipflichten, wenn es sich um einen andern Menschen handelte, der sich in Ihrer Lage befände.
Das kann sein, erwiderte der Arzt, ich weiß es nicht. Ich scheine meine Urteilskraft verloren zu haben. In meiner Brust krümmen und winden sich wie greuelvolle Schlangen die Gedanken, die Sie darin geweckt haben. Warum foltern Sie mich so?
Es muß sein. Daß Sie Qualen leiden, ist für mich eine wichtige Tatsache. Hätten meine Worte Sie unempfindlich gelassen, hätten Sie dieselben widerlegen können, ich würde zu ganz andern Schlüssen gelangt sein, Sie werden mir mein Verfahren verzeihen, wenn Sie meine Beweggründe kennen.
Aber warum mir die Beweggründe nicht jetzt sagen? Warum mich in dieser entsetzlichen Spannung erhalten –
Ich will Sie nicht länger in Spannung halten, HerrDoktor. – Obgleich ich mit Rücksicht auf den Zustand Ihrer Frau für jetzt davon abstehe, sie in Haft zu nehmen, bin ich doch fast überzeugt davon, daß sie über den Tod des armen Mädchens mehr weiß, als sie eingestanden hat. Ich muß sie daher unter polizeiliche Aufsicht stellen. Bei Ihrer Rückkehr werden Sie in Ihrem Hause eine Frau finden, die ich Sie bitte, als Wärterin für die Kranke anzunehmen. Sie ist gutherzig, geschickt und verschwiegen, wird sich weder lästig machen, noch uns verraten, aber sie steht im Dienst der Geheimpolizei. Darf ich darauf rechnen, daß Sie ihr Einlaß gewähren und ihr nichts in den Weg legen, was sie an der Erfüllung ihrer Pflichten hindern könnte?
Sie sind Herr meines Schicksals und meiner Ehre, rief Kameron voll Seelenpein, ich muß mich Ihrem Willen fügen.
Der Inspektor schüttelte den Kopf; ihm war noch selten ein Geschäft so sauer angekommen. Ich tue nur was ich muß, sagte er. Ich nehme aufrichtigen Anteil an Ihrem Geschick, wie dies jeder Ehrenmann tun muß.
Aber Kameron war es nicht um Teilnahme zu tun, er verlangte Gerechtigkeit. Ist denn kein Ausweg zu finden? rief er, müssen wir diese unwürdige Behandlung erdulden, obgleich Sie nicht einmal wissen, ob überhaupt ein Mord begangen worden ist?
Frau Kameron ist die einzige, die über den rätselhaften Todesfall Auskunft zu geben vermag. Freilich, wenn wir alles wüßten, was Doktor Molesworth aussagen will –
Er soll reden. Ich werde mich an ihn wenden, und er wird mit der Wahrheit nicht zurückhalten.
Der Inspektor blickte ihn mitleidig an: Diese würden Sie vielleicht nicht hören wollen, sagte er.
Meinen Sie? erwiderte Kameron schnell und heftig. Es kann nichts Schlimmeres geben als diesen Zweifel, diese Ungewißheit. Stellen Sie mich ihm gegenüber, undwenn er die Umstände kennt, die Mildred Farleys Tod begleitet haben, so wird er das Geheimnis nicht lange bewahren, wenn er erfährt, was sein Schweigen für mich bedeutet.
Der
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