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Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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wollen wohl überlegt sein. – Sie lieben also Ihre Frau, Doktor Kameron, und sind von ihrer Unschuld überzeugt?
    Unbedingt.
    Das Urteil eines jungen Ehemanns ist in solchem Falle nicht ganz maßgebend. Aber ich glaube an Ihre aufrichtige Ueberzeugung und redliche Absicht. Wollen Sie mir Näheres über den Eindruck mitteilen, den Ihre Frau seit der Hochzeit auf Sie gemacht hat?
    Das würde mir schwerfallen, denn ihr Benehmen war höchst wechselhaft. Nun ich aber die Ereignisse kenne, die ihr Gemüt so sehr belasteten, kann ich mit gutem Gewissen sagen, daß ihre Aufregung und ihre Schmerzen unter den Umständen höchst erklärlich waren.
    Auch ihr weißes Haar?
    Auch dieses. Stellen Sie sich doch einmal vor, was sie im Laufe weniger Stunden durchgemacht hat! Alles folgte Schlag auf Schlag: das Scheitern ihrer Pläne mit Molesworth, ihre Rückkehr, der Anblick Mildreds als Braut, der furchtbare Eindruck, den ihre veränderten Absichten auf das arme Mädchen machten, mit dem sie bis zuletzt in zärtlichster Gemeinschaft gestanden, die fieberhafte Eile beim Wechseln der Kleider, mit denen sie zugleich ihr früheres Selbst wieder annahm, dann Mildreds rasche Tat, die in einem Augenblick das Hochzeitshaus zu einem Leichenhaus machte und ihren Triumph, ihre Festesfreude in Todesfurcht und Entsetzen umwandelte, was sie noch obendrein vor aller Augen, selbst denen ihres Bräutigams aufs sorgfältigste verbergen mußte. Dann folgte der Schrei, der irgendeinen unbekannten Schrecken oder die Entdeckung bedeutete. Entweder war Mildred wieder zum Leben erwacht, vielleicht unter qualvollen Schmerzen, oder der Schlüssel, den Genofeva bei sich trug, hatte die Tür nicht verschlossen, und schon im nächsten Augenblick konnte der Ruf: »Mord!« durch das Haus erschallen. War das nicht genug, um den stärksten Geist zu erschüttern? Und zu alledem der Gedanke, der sie keinen Moment verlassen haben kann, was sie sagen und tun solle, wenn die Entdeckung wirklich erfolgteund sie nicht nur erklären mußte, wie die Tote in ihr Zimmer kam, sondern auch Aufschluß über alle Nebenumstände geben, möglicherweise auch über den schimpflichen Plan, dessen Mißlingen die ganze Katastrophe herbeigeführt hatte. Was für Ausflüchte mag sie ersonnen haben, während sie lächelnd die Glückwünsche von Verwandten und Freunden entgegennahm! Darauf der Schreck, als sie Molesworth an der Tür gewahrte – Molesworth, den sie gewissermaßen betrogen hatte, und der, wie sie sich sagen mußte, in diesem Augenblick zu allem fähig war, selbst seine Anklage gegen sie zu schleudern in Gegenwart ihres Gemahls und der Schar der versammelten Gäste. War das nicht mehr, als ein schwaches, geängstetes Weib zu ertragen vermochte? Durch schnelles Handeln zwang sie ihn, zu schweigen; ihrer Klugheit gelang es, sich mit ihm oben in dem Totenzimmer einzuschließen, wo sie sich mit Scham und Entsetzen genötigt sah, ihm die grausigen Folgen ihrer Tat zu offenbaren und um seine Hilfe zu flehen, statt ihm, wie sie gehofft hatte, ihren Triumph zu zeigen. War das alles nicht genug, um ihr Haar in einer Nacht zu bleichen? Ich gerate fast von Sinnen, wenn ich nur daran denke, und bin doch ein beherzter, wetterharter Mann.
    Sie sind ihr ein trefflicher Verteidiger und haben mich durch Ihre Gründe fast überzeugt, versetzte der Inspektor. Doch möchte ich noch eine Frage an Sie richten, die Ihnen vielleicht vorwitzig und gefühllos erscheint, zu der mich aber einzig und allein der Wunsch veranlaßt, Ihnen einen Dienst zu erweisen.
    Fragen Sie immerhin; was könnte ich wohl bei dieser Sache vor Ihnen verbergen wollen?
    Ich schicke voraus, daß ich mit dem Inhalt der Briefe bekannt bin, die Sie Herrn Gryce gezeigt haben. – Welches Gefühl glauben Sie, daß Ihre Frau jetzt für Sie hegt? Ist es Liebe?
    Nichts anderes.
    Nicht bloß Dankbarkeit oder Hochachtung – wirklich Liebe?
    Ja, Liebe.
    Und vor ganz kurzer Zeit erging sie sich in den überschwenglichsten Ergüssen von Zärtlichkeit für einen andern! – Sie verzeihen, aber ich kann Ihnen das harte Wort nicht ersparen!
    Wohl wahr. Aber solche schrankenlose Leidenschaft schlägt oft in ihr Gegenteil um. Sie bedurfte vielleicht einer derartigen Erfahrung, um den Wert echter Liebe zu erkennen.
    Und Sie haben nichts vermißt? – ich meine in ihrem Verhältnis zu Ihnen?
    Ueber des Doktors bleiche Züge flog ein Lächeln. Hätte ich sonst keinen Kummer – ich wäre der glücklichste Mensch, sagte er.
    Der Inspektor sah

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