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Hinter verzauberten Fenstern

Hinter verzauberten Fenstern

Titel: Hinter verzauberten Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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Kalender. Vorsichtig spähte sie in das düstere siebte Fenster. Plötzlich war ihr das Zimmer dahinter unheimlich. Entschlossen drückte sie das Fenster wieder zu. Wer weiß, welchen Besuch ich sonst heute Nacht bekomme!, dachte sie. Als sie sich schlafen legte, traute sie sich nicht, dem Kalender den Rücken zuzukehren. Und als sie endlich einschlief, hatte sie scheußliche Träume.

10. Kapitel

    »Du hast ja dein Fenster gar nicht aufgemacht!«, sagte Olli, als er am nächsten Morgen zum Spionieren in Julias Zimmer kam. »Und das von gestern ist wieder zu! Was soll das denn?«
    »Das Bild dahinter ist blöd«, sagte Julia und packte hastig ihre Schulsachen zusammen.
»He, beeilt euch da oben!«, rief Mama von unten. »Ihr seid schon wieder spät dran!«
»Ich fand das Bild gut!«, sagte Olli. »So richtig schön gruselig. Bei mir war heute Morgen bloß ein blödes Schokoladenschaf dahinter.«
»Wie viel Stunden hast du heute?«, fragte Julia und knallte ihre Schultasche zu.
»Zwei«, antwortete Olli.
Verflixt!, dachte Julia, während sie die Treppe hinuntergaloppierten. Sie hatte sechs! Wenn sie doch bloß ihren Schlüssel hätte!
Als sie um halb zwei aus der Schule kam, rannte sie sofort nach oben. Sie riss die Tür zu ihrem Zimmer auf und sah auf ihren Kalender. Fenster 7 und Fenster 8 standen sperrangelweit offen.
»Olliiii«, brüllte sie die Treppe hinunter. »Komm rauf!«
Ihre Mutter streckte den Kopf aus der Küchentür. »Was schreist du denn so?«, fragte sie erstaunt.
»Olli ist nicht da. Er war schon weg, als ich nach Hause kam.«
»Er hat meine Kalenderfenster aufgemacht!«, sagte Julia. Sie zitterte vor Wut.
»Ich verspreche dir, dass ich mit ihm schimpfe, wenn er wiederkommt!«, sagte Mama.
»Das hilft doch überhaupt nichts!«, rief Julia verzweifelt. »Gib mir einfach meinen Schlüssel wieder!«
»Nein. Kommt nicht infrage«, sagte Mama und verschwand in der Küche.
Ärgerlich machte Julia die Tür hinter sich zu und stieg aufs Bett. Jetzt, wo die Fenster schon mal auf waren, wollte sie wenigstens hineinsehen. Das siebte kannte sie ja. Das Zimmer hinter dem achten Fenster sah kein bisschen besser aus. Nur in einer Ecke hatte jemand begonnen, die Wand zu streichen. Und auf dem Fußboden schwamm eine Riesenlache weiße Farbe. Julia wollte die Fenster gerade wieder zudrücken, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Erschrocken fuhr sie herum. Aber da war nichts.
Sie runzelte die Stirn. Melissa hatte doch auch was von merkwürdigen Geräuschen erzählt. Komisch. Julia drehte sich wieder zum Kalender um. Hinter ihr knisterte Papier. Und dann schmatzte jemand.
»Olli?« Keine Antwort.
Julia wagte es kaum, sich umzudrehen. Vorsichtig sah sie über die Schulter. Ihr Nikolausteller war gerade dabei, vom Regal zu schweben. Mit elegantem Schwung landete er auf dem Tisch. Dann erhob sich eine Schokoladenkugel in die Luft. Ihr Papier fiel knisternd zu Boden, und die Kugel verschwand unter lautem Schmatzen im Nichts. Julias Knie wurden weich wie Wackelpudding, und ihr Herz klopfte, als wollte es ihr gleich aus dem Hals springen.
»Aaah, schmeckt köstlich!«, sagte eine tiefe Stimme, und eine unsichtbare Hand wühlte in Julias Teller herum.
»Wer ist da?«, fragte Julia und presste ihren Rücken gegen die Wand.
Ein ekelhaftes Lachen war die Antwort, und ein unsichtbarer Mund verschlang gleich drei ihrer Marzipankugeln auf einmal. Julia nahm all ihren Mut zusammen.
»Verschwinde!«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Verschwinde sofort aus meinem Zimmer.«
»Ich denke gar nicht dran!«, sagte die Stimme. »Außerdem ginge das auch gar nicht. Du stehst nämlich genau vor meinem Fenster.« Erschrocken rückte Julia von dem Kalender weg. Ihr unsichtbarer Gast kam aus dem Kalender!
»Wer bist du?«, flüsterte sie.
»Das geht dich überhaupt nichts an«, sagte der Unsichtbare und biss ihrem wunderschönen Schokoladennikolaus den Kopf ab. »Und du brauchst auch gar nicht so dumm zu glotzen. Du siehst mich ja sowieso nicht!«
Julia wäre am liebsten auf ihn losgestürzt und hätte ihm ihr Kissen um die unsichtbaren Ohren gehauen. Aber sie traute sich nicht einmal vom Bett runter.
»Pfui Teufel, die Schokolade schmeckt ja scheußlich!«, schmatzte die ekelhafte Stimme. »Genauso scheußlich wie die aus den Schokohäusern! Igitt!«
»Sag mir jetzt endlich, wer du bist!«, sagte Julia. Es war ein scheußliches Gefühl, nur mit der Luft zu reden.
»Na gut!«, sagte der Unsichtbare. »Wenn du so drängelst. Ich bin ein

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