Hintergangen
Assistentin gewesen sein.«
Tom nahm das Blatt Papier, das in der Luft herumgeschwenkt wurde, las den markierten Absatz und riss erstaunt die Augen auf.
»Au, verdammt – das ist ja mehr, als seine Ehefrau gekriegt hat! Kein Wunder, dass Brian Smedley so perplex aus der Wäsche geguckt hat. Okay, ich verstehe, wir müssen unbedingt mit ihr sprechen. Aber bevor sie hier angeschleppt wird, müssen wir noch ein paar Sachen nachprüfen. Wir brauchen Hintergrund – Bankkonten, Kreditkarten, Lebensstil, Sie kennen ja den Ablauf. Schauen wir, was wir da bis morgen früh zusammenkriegen und bestellen sie dann her. Ich kann mir nicht denken, dass die irgendwo hinwill, andernfalls wäre sie schon gegangen.
Und noch eins: Becky hat gerade am Telefon erzählt, dass Laura in der Perückenschachtel nachgeschaut hat. Dort sind lediglich drei Perücken drin. Sie hat zwar plausible Gründe für den möglichen Verbleib der beiden anderen genannt, aber das sollten wir noch einmal überdenken. Der Umstand, dass es einmal fünf gegeben hat und jetzt nur noch drei, scheint mir ein ganz schöner Zufall zu sein. Denken wir mal drüber nach und schauen, ob uns was dazu einfällt. Noch Fragen?«
Es gab keine, und Tom blieb nur noch, sich über die etwas ungewöhnlicheren Entdeckungen des Tages und darüber, wohin sie führten, seine Gedanken zu machen.
M ann, die wohnt in Lowndes Square! Haben Sie eine Ahnung, was die Wohnungen dort kosten? Ein paar Millionen locker!«
Mit diesen Neuigkeiten wurde Tom begrüßt, als er zur morgendlichen Lagebesprechung hereinkam. Damit musste natürlich Jessica Armstrong gemeint sein.
»Langsam, Kinder. Sie stammt aus einer wohlhabenden Familie. Was haben wir sonst noch?«
Tom nahm einen Schluck von seinem starken schwarzen Kaffee. Obwohl er früh zu Bett gegangen war, hatte er kaum Schlaf gefunden. Jedes Mal, wenn er wieder dabei gewesen war wegzudämmern, war ihm das Bild von Kates flehendem Gesicht in den Sinn gekommen, das sich dann merkwürdigerweise in Lauras verwandelt hatte, die schauerlich über Hugos Grausamkeit lachte. Er brauchte also einen Schnellstart und hoffte, dass es mit dem Kaffee klappte.
»Das Apartment kostet neunhunderttausend. Vor zwei Jahren hat sie es gekauft, mit einem Baudarlehen, schlappe siebenhunderttausend. Können Sie sich das vorstellen!«
Ajay war außer sich, dass jemand wie Jessica in derartigem Luxus leben konnte.
»Wissen wir, was sie verdient?«, wollte Tom wissen.
»Ja, beachtliche siebzigtausend, nicht beachtlich allerdings für Lowndes Square. Als Scheißsekretärin!«
»Immer langsam, Ajay. Ihre Finanzen machen sie noch nicht zur Mörderin. Wir müssen herauskriegen, wie sie ihr Darlehen abbezahlt – es gibt da vielleicht eine einleuchtende Erklärung –, außerdem müssen wir wissen, wieso Hugo ihr so viel Geld vermacht hat. Wer weiß, vielleicht hatte er ja einfach seine Spendierhosen an.«
Die diversen Kraftausdrücke und Unmutsbekundungen seines Teams ignorierend, fuhr Tom fort.
»Am meisten interessiert mich aber die Tatsache, dass das Testament Jessica genauso knebelt wie Annabel. Eine rufschädigende Bemerkung über Hugo, und sie verliert alles. Was also weiß sie? Was ist mehr wert als eine halbe Million Pfund?«
Er schaute sich um, doch anscheinend hatte keiner die Antwort.
»Okay, dann holt sie her.«
E ine tadellos und sichtlich teuer gekleidete Jessica wurde in den Vernehmungsraum geführt. Ihr hellbraunes Haar war glatt zurückgebunden aus einem ziemlich harten, kantigen Gesicht mit scharf geschnittener Nase und dünnen Lippen. Ihr hochfahrendes Gebaren ging Tom bereits vor Beginn der Vernehmung gewaltig gegen den Strich, doch er musste natürlich höflich sein.
»Jessica, danke, dass Sie sich bereit erklärt haben, einige Fragen zu beantworten. Wie ich gehört habe, wünschen Sie keinen rechtlichen Beistand. Sagen Sie es mir einfach, falls Sie es sich anders überlegen.«
Jessica guckte etwas erschrocken über den Vorschlag.
»Wieso um alles in der Welt sollte ich rechtlichen Beistand brauchen? Bin ich denn nicht bloß hier, weil ich über Sir Hugo ein paar Fragen beantworten soll?«
Zu einer Beschwichtigung konnte Tom sich nicht durchringen.
»Nein, deswegen haben wir Sie nicht hergebeten. Wir haben uns Ihren Lebensstil einmal angesehen und auch Ihre Einkünfte. Das passt beides einfach nicht zusammen, fürchte ich. Wir haben uns gefragt, wie Sie sich bei Ihrem aktuellen Gehalt eine Wohnung in Lowndes Square leisten
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