Hintergangen
können.«
Jessica stöhnte etwas affektiert und schloss ihre dezent geschminkten Augen, als hätte man ihr noch nie eine derart lächerliche Frage gestellt.
»Also wirklich, Inspector, Sie wissen doch, dass meine Eltern sehr wohlhabend sind. Geld ist für uns wirklich kein Thema.«
Tom machte sich sonst nichts aus Titeln, war in diesem Fall jedoch nicht bereit, die sicherlich beabsichtigte Geringschätzung einfach zu übergehen.
»Chief Inspector. Wir wissen natürlich Bescheid über Ihre Eltern, haben aber auch Zugang zu Ihren Bankdaten, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass aus dieser Richtung irgendwelches Geld kommt. Das einzige Geld, das auf Ihrem Konto landet, ist Ihr Gehalt, das nach Steuern und Abgaben fast in voller Höhe zur Abzahlung Ihres Darlehens dient.«
»Nun«, lächelte sie hochmütig, »da haben Sie doch die Antwort, oder? Mein Gehalt deckt mein Darlehen.«
»Schon, Jessica, Sie fahren aber einen nagelneuen Mercedes SLK , und essen müssen Sie ja auch noch. Und selbst mir ist aufgefallen, dass Ihre Kleidung nicht gerade von der Stange ist. Wie genau kriegen Sie das alles also hin?«
»Ganz einfach. Mein Vater bessert regelmäßig meine Einkünfte auf. Ich brauche ihn bloß darum zu bitten.« Jessica lehnte sich lässig zurück und zupfte eine imaginäre Fluse von ihrem schwarz-weiß karierten Rock.
»Wenn ich also zu Ihrem Vater gehen und ihn fragen würde, könnte er mir das bestätigen?«
»Aber natürlich. Wenn es um Geld geht, war Daddy noch nie knauserig.«
Tom war noch nicht bereit, die Flinte ins Korn zu werfen.
»Bloß um Ihre Haushaltsrechnungen zu bezahlen, Lebensmittel einzukaufen, den Wagen zu betanken – der übrigens, wie wir wissen, in zwölf ziemlich deftigen Monatsraten abgezahlt wird –, ganz zu schweigen von Kleidung, Urlaubsreisen und Ausgehen, bräuchten Sie nach meinen Berechnungen mehrere Tausend Pfund im Monat. Wenn wir uns bei Ihrem Vater erkundigen, ob er Ihnen, sagen wir, monatlich etwas über fünftausend Pfund aufstockt, würde er das bestätigen?«
Zum ersten Mal, bemerkte Tom, war Jessica sichtlich unwohl in ihrer Haut. Er machte sich den Moment zunutze.
»Hat er Ihnen beispielsweise den Urlaub letztes Jahr im Saint Geran auf Mauritius bezahlt? Ist das nicht das teuerste Hotel auf der Insel?«
»Nicht unbedingt. Manche finden es das eleganteste, es gibt dort jetzt aber mehrere gute Hotels.« Jessica versteckte sich hinter der ihr eigenen Arroganz.
»Sie beantworten meine Frage nicht. Wie haben Sie den Urlaub bezahlt?«
»Eigentlich – mit meinem Bonus.«
»Mit welchem Bonus? Wäre ein Bonus denn nicht zusammen mit Ihrem Gehalt auf Ihr Konto eingezahlt worden?«
Nicht, dass Tom jemals einen Bonus erhalten hatte, doch der hochmütige Tonfall dieser Frau und ihr herablassendes Gehabe ärgerten ihn maßlos. Sie antwortete mit einem selbstgefälligen Grinsen.
»Sir Hugo gab mir manchmal einen Bonus in bar.«
Tom knallte die Handflächen auf den Tisch und lehnte sich mit einem Blick zurück, den sie hoffentlich als ungläubig interpretieren würde.
»Wollen Sie damit sagen, Sir Hugo Fletcher, eine Stütze der Gesellschaft, hat sein Personal aus der Schwarzgeldkasse bezahlt? Das glaube ich jetzt aber eher nicht, Jessica. Bitte noch mal von vorn.«
Jessica weigerte sich hartnäckig, noch etwas zu sagen, also wechselte Tom die Richtung – vorerst jedenfalls.
»Können Sie mir sagen, ob Sie je in der oberen Wohnung in Egerton Crescent waren, Jessica?«
Mit einem erleichterten Blick kehrte sie zu ihrer üblichen, leicht herablassenden Art zurück.
»Selbstverständlich. Sir Hugo ist ziemlich oft über Nacht in London geblieben, und ich habe immer gedacht, es wäre schön für ihn, wenn das Wohnzimmer abends für ihn vorbereitet wäre. Sie wissen schon, die Zeitungen liegen bereit, Lampen sind eingeschaltet, alle Karaffen schön nachgefüllt, Eiskübel bereitgestellt. Damit er es auch bequem hatte. Normalerweise war ich bloß im Wohnzimmer und in der Küche, aber manchmal habe ich ihm auch seine Wäsche nach oben ins Zimmer gebracht. Eingeräumt habe ich sie aber nicht. Ich war mir nicht sicher, ob er das wollte.«
Meine Güte, dachte Tom. Wie war das, von wegen, sie sei ihm schon lange nicht mehr hörig?
Als er sah, dass sie sich etwas entspannt hatte, schaltete er wieder um auf die vorherige Befragungstaktik.
»Hat er Ihnen je Geschenke gemacht, Jessica, oder ging es bloß um Bargeld? Ihre ›Bonuszahlungen‹?«
Jessica schaute
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