Hintergangen
Sie mir denn dann nicht sagen, wofür das Geld war, warum muss es ein Geheimnis bleiben, wenn nicht wegen der Klauseln im Testament?«
»Weil es Sie nichts angeht und für Ihre Ermittlungen überhaupt nicht relevant ist. Er hat nicht gewollt, dass es jemand erfährt. Er ist in Bezug auf seine Großzügigkeit sehr verschwiegen gewesen.«
Toms Gesichtsausdruck blieb ungerührt.
»Wann hat sie denn angefangen, und gab es einen bestimmten Auslöser für diese … Großzügigkeit?«
»Wann es angefangen hat, kann ich Ihnen sagen, aber nicht , was ich dafür gemacht habe. Da ich keine Terroristin bin, habe ich jawohl das Recht zu schweigen.«
Tom seufzte. Gott verschone uns vor informierten Tatverdächtigen, dachte er.
»Na, dann legen wir doch los! Sagen Sie mir, wann es angefangen hat und was der Anlass gewesen ist.«
Jessica umklammerte die grüne Wildlederhandtasche auf ihrem Knie und drehte den Riemen nervös zwischen den Fingern. Auf ihrer Stirn hatten sich zwei tiefe Falten gebildet, und Tom wusste, dass er sie aus dem Konzept gebracht hatte – ob allerdings nachhaltig, war nicht sicher.
»Nun, vor ein paar Jahren sind etwa um die gleiche Zeit herum mehrere Dinge passiert. Es hat damit begonnen, dass zwei von den geretteten Mädchen im Büro erschienen sind und eine ihrer Freundinnen gesucht haben, die offenbar plötzlich spurlos verschwunden war. Ich habe sie natürlich weggeschickt. Sir Hugo war sehr streng, wenn es darum ging, dass die Mädchen keinen Kontakt zueinander halten sollten, und ich war sehr ungehalten über sie.«
»Haben Sie diese Regel denn nicht recht seltsam gefunden?«
»Überhaupt nicht. Er hat doch nur ihr Bestes gewollt, und da er es für das Richtige gehalten hat, habe ich ihn in dieser Entscheidung unterstützt. Jedenfalls hat es dann ein oder zwei Tage später an der Tür geklingelt. Ich war als Einzige im Büro, abgesehen von Sir Hugo. Rosie ist, glaube ich, Stifte kaufen gewesen, ungewöhnlich lange, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe aufgemacht, und dieses junge Mädchen hat sich einfach an mir vorbeigedrängt und ›Hugo‹ sprechen wollen – nicht ›Sir Hugo‹. Das fand ich sehr merkwürdig. Dann habe ich sie wiedererkannt, denn ich hatte mir an dem Tag gerade ihre Unterlagen angeschaut. Ich hatte sie nicht direkt erkannt, da sie ziemlich schick gekleidet war. Jedenfalls habe ich sie versucht aufzuhalten, doch sie ist direkt in Sir Hugos Büro gelaufen und hat die Tür hinter sich zugeknallt. Ich bin natürlich hinterher, aber Sir Hugo hat gemeint, es sei schon in Ordnung, ich könne wieder gehen.«
Jessica machte eine Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken. Keiner sagte etwas. Tom konnte sehen, dass sie den Moment noch einmal durchlebte, und obwohl er darauf brannte, ihr die naheliegende Frage zu stellen, musste er sie fertig erzählen lassen. Sie schaute ihn nicht an, sondern hielt ihr Glas umklammert, während sie in die Ferne auf die Szenen starrte, die ihr nun wieder einfielen.
»Ich habe Schreie aus dem Büro kommen hören – Schreie ! Sir Hugo ist nie laut geworden, doch an dem Tag war er offenbar über irgendetwas außerordentlich verärgert. Es hat allerdings nicht lang gedauert. Nach ein paar Minuten ist sie lächelnd herausgekommen und gegangen. Eine Weile später ist auch Sir Hugo aus seinem Büro getreten und hat mich darum gebeten, den Vorfall niemals zu erwähnen. Er hat außerdem wissen wollen, ob ich mitgehört hatte.«
Sosehr er die Geschichte eigentlich nicht unterbrechen wollte, musste Tom es doch erfahren.
»Und, hatten Sie?«
»Nicht direkt. Jedenfalls nichts Wesentliches. Sie hat von einem Pool gesprochen, glaube ich. Ich bin daraus aber nicht schlau geworden und habe nicht weiter darüber nachgedacht. Annabel hatte ihm schon lange wegen eines Swimmingpools zugesetzt, das wusste ich, konnte mir aber den Zusammenhang zwischen den beiden Dingen nicht erklären. Jedenfalls hat Sir Hugo gesagt, er würde nach Hause nach Oxfordshire fahren und dass er erst in ein paar Tagen wiederkommen wolle. Bis dahin wollte er nicht gestört werden. Ich hatte eigentlich gedacht, damit wäre die Sache erledigt, aber als Rosie kurze Zeit später zurückgekommen ist, hat sie erzählt, sie hätte Sir Hugo wegfahren sehen und er hätte ein Mädchen bei sich im Wagen gehabt. Vermutlich hat er sie nach Hause gefahren, habe ich mir gedacht. Das war alles. Und da fing es an.«
»Wer war das Mädchen, Jessica?«
»Ich glaube, sie hieß Alina Cozma.«
Tom zog
Weitere Kostenlose Bücher