Hintergangen
etwas ahnt, bin ich tot (möglicherweise im wahrsten Sinne des Wortes). Ich habe einen dummen Fehler gemacht, und jetzt habe ich große Angst. Das hier ist nicht die Recherche für eine Fernsehsendung, das ist das wahre Leben. Mein wahres Leben. Und ich muss auch nicht bloß an mein Leben denken. Ich wollte extraschlau sein, und jetzt weiß ich nicht, was passieren wird.
Nach meinem Besuch im Büro bin ich zu dem Schluss gekommen, das einzig Vernünftige wäre, einen Privatdetektiv anzuheuern. Ich wollte Hugo beschatten lassen. Ich war mir immer sicher, dass er eine Geliebte hat. Aber was ist, wenn es etwas Schlimmeres ist? Ich wollte es unbedingt wissen.
Ich habe in Sachen Privatdetektive sorgfältig recherchiert und eine seriöse Person gefunden – habe ich jedenfalls gedacht. Ich hätte es besser wissen müssen.
Hugo ist von was weiß ich wo zurückgekommen und hat mich natürlich ausführlich zu meinem Ausflug ins Büro befragt. Jessica ist bestimmt gleich aktiv geworden. Ich glaube, ich habe mich ziemlich gut geschlagen, obwohl mir in unmissverständlichen Worten mitgeteilt wurde, dass die Stiftung mich nichts angehe und sie Verfahren hätten, von denen ich keine Ahnung hätte.
Und dann ist das schlimmste Szenario eingetreten: Hugo hatte sich für den Abend einen Leibwächter engagiert. Mir hätte klar sein müssen, dass an dem Abend nicht passieren würde, aber dummerweise habe ich den Detektiv trotzdem gebeten, ihn zu beschatten – und der wurde prompt geschnappt! Nicht nur das, er hat Hugo auch noch verraten, dass ich ihn angeheuert hatte!
Hugos Wut kann ich nicht einmal in Ansätzen beschreiben. Eine passende Ausrede hatte ich auch nicht parat. Ich konnte nicht die eifersüchtige Ehefrau spielen – das hätte er mir niemals abgekauft. Ich habe einfach dagesessen und diesen Schwall von Beleidigungen über mich ergehen lassen. Noch nie hatte ich ihn so wütend gesehen – er war sogar noch wütender als damals, als er mich eingesperrt hat.
Jetzt gerade überlegt er vermutlich, was er mit mir anstellen soll. Ich muss handeln, und zwar schnell. Nicht meinetwegen – das ist mir inzwischen egal. Doch es steht mehr als nur mein Leben auf dem Spiel.
Ich muss es jemandem sagen, der etwas ausrichten kann und der mir glaubt. Es dir zu sagen wird nichts nützen – was könntest du schon tun? Und andere Freunde habe ich nicht. Wenn ich es Mum oder Will sagen würde – weiß ich nicht, was Hugo täte. Er würde bestimmt dafür sorgen, dass sie jegliche Glaubwürdigkeit verlören, womöglich täte er etwas ganz Furchtbares. Es muss also eine Autoritätsperson sein, jemand, der mich beschützt – und natürlich nicht bloß mich. Vermutlich wird Hugo aber nur wieder auf meinen depressiven Zustand hinweisen, eine plausible Erklärung für meine überbordende Phantasie. Ich muss überzeugend wirken – und das ohne eine Spur von Beweisen.
Daher habe ich beschlossen, zur Polizei zu gehen. Zwar sind sexuelle Beziehungen mit Prostituierten nicht illegal, doch wenn diese verschwinden, muss ermittelt werden. Es gibt da einen Chief Constable, Theo Hodder, den ich schon ein paarmal bei Charity-Dinners getroffen habe – zu dem werde ich gehen.
Ich werde ihm alles erzählen, und dann wird er etwas unternehmen müssen.
Ich werde diesen Brief auch irgendwo hinterlegen, wo nur du ihn finden kannst, Imo – falls mir etwas zustößt. Es gibt nur einen Ort, an dem Hugo niemals nachsehen würde, du aber schon. Wer hätte vor all den Jahren gedacht, als wir dieses alte Exemplar von Der geheime Garten ausgehöhlt haben, um mein Tagebuch darin zu verstecken, dass ich das Buch je wieder brauchen würde …
Alle meine Briefe sind darin versteckt – wenn du dies also liest, frage ich mich, was wohl aus mir geworden ist?
Wahrscheinlich habe ich es dir noch nicht oft genug gesagt, Imo – aber ich habe dich wirklich sehr lieb. Und es tut mir so furchtbar leid.
Xxxx
31. Kapitel
Ein kleines Dorf auf Kreta
W eniger als zweitausend Meilen entfernt auf der Insel Kreta, in einer kleinen, dicht an den Hügel geschmiegten Bar weitab vom Touristenrummel, war ein Grüppchen Urlauber im besten Alter gerade dabei, vor dem Mittagessen einen Drink einzunehmen. Obwohl bereits spät im Jahr, schien die Mittagssonne warm genug, dass man draußen sitzen konnte, und die umliegende, immer noch ausgedörrte Landschaft erwartete sehnlichst die Winterregenfälle.
»Was für eine Entdeckung. Schaut nur diese Aussicht!«, sagte eine
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