Hintergangen
schlimm?«
»Ha! Zu sagen, es war traumatisch, wäre ziemlich untertrieben.« Aber eigentlich konzentrierte Imogen sich gar nicht auf das Gespräch, sondern sah suchend umher. Sie standen immer noch in der Eingangshalle. Imogen schaute Laura immer wieder über die Schulter und stellte, kaum überraschend, die unvermeidliche Frage.
»Wo ist Will?«
Immer noch Imogens allererster Gedanke! Bestimmt war sie jetzt von Lauras Antwort enttäuscht.
»Wir waren alle ziemlich aufgeregt und durcheinander, da ist er mit Mum einkaufen gefahren. Du weißt ja, wie sie ist – was Gutes zu essen, und alle Sorgen sind vorbei. Ich rufe ihn an und sag ihm, dass du wieder da bist.«
Laura wollte zum Telefon, doch Imogen streckte ihr abwehrend die Hand entgegen.
»Lass doch bitte, Liebes. Weißt du, was ich jetzt brauche? Einen schön starken Gin Tonic und ein knallheißes Bad gegen den Gestank vom Vernehmungsraum. Ich kann bloß eins sagen, nach dem abgestandenen Schweißgeruch zu urteilen, müssen da ja eine Menge schuldige Leute drin gewesen sein.«
Imogen versuchte ein Lachen.
»Der hatte sich richtig in den Wänden festgesetzt. Komm mit, ich muss mir das alles von der Seele reden. Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten hier bin ich nämlich mitteilsam.«
Die bissige Bemerkung ignorierend, bot Laura an, den Gin zu holen, während Imogen Badewasser einlaufen ließ. Laura rief ihr nach, als sie bereits die Treppe hocheilte.
»Nimm mein Badezimmer, Imo, da habe ich das tolle Zeug von Jo Malone. Limette, Basilikum und Mandarine, damit kriegst du jeden hartnäckigen Geruch weg. Bedien dich!«
Laura beschloss, Imogen in aller Ruhe ein Weilchen eintauchen zu lassen. Während ihrer Jugend- und frühen Erwachsenenjahre hatten sich alle ihre Probleme damit lösen lassen, dass immer die eine oder andere in der Wanne lag. Für Imogens Drink schnitt sie etwas Limette in Scheiben, genau so, wie diese es gern hatte, und für sich selbst ein wenig Zitrone. Nach Zugabe der vierfachen Menge Bombay Sapphire Gin und eines bloßen Hauchs von Tonic stellte sie die Gläser auf ein Tablett. Sie brannte darauf zu erfahren, was geschehen war, wusste aber auch, dass Imogen sich nicht drängen ließ.
Mit einem leisen Klopfen öffnete sie die Tür und stellte erfreut fest, dass Imogen ihr Angebot wahrgenommen hatte und es im Raum einladend duftete. Das Haar schon untergetaucht und das Gesicht sauber gerieben, sah Imogen überhaupt nicht wie sonst hübsch und proper aus. So ganz ohne Schminke meinte Laura in ihren Augen die Spuren der vorausgegangenen Ereignisse erkennen zu können. Vielleicht zeichnete sich auch schlicht der quälende Kummer ab, unter dem Imogen seit dem Verlust von Will gelitten hatte. Zwar hatte Hugo einiges zu verantworten, doch war auch Lauras eigenes Gewissen alles andere als rein. Kein Tag verging, ohne dass sie es bereute, Imogen damals nicht geglaubt zu haben.
Entschlossen setzte Laura ein beruhigendes Lächeln auf, stellte den Drink griffbereit an den Wannenrand und kauerte sich auf den Badezimmerhocker.
Imogen brach das Schweigen.
»Danke für die Verschnaufpause. Du bist wahrscheinlich inzwischen halb verrückt geworden! Es ist aber alles in Ordnung, wirklich. Ein Problem gibt es: Die wissen nämlich, dass eine Imogen Dubois mit dem Zug von Paris nach St Pancras gefahren ist und ein paar Stunden später wieder zurück. Sie sind überzeugt, dass ich das war, können es aber nicht beweisen. Und selbst wenn sie könnten, beweist das doch bloß, dass ich in London gewesen bin. Ich hätte ja ganz dringend was von Harrods brauchen können. Es gibt überhaupt nichts, was mich mit Hugo in Verbindung bringt. Die hatten bloß auf ein Geständnis gehofft.«
Schweigend nippte Laura an ihrem Drink und wartete darauf, dass Imogen weitersprach.
»In der Wohnung können eigentlich gar keine Spuren sein, und es weist nichts darauf hin, dass ich mit Hugo gesprochen hätte. Was können sie also machen? Okay, sie haben die Videoaufnahmen von der Person, die sie ›befragen wollen‹, und diese Person sieht anscheinend so aus wie ich. Die Aufnahmen sind aber natürlich unscharf, und auf den anderen Kameras findet sich nichts – also habe ich alles abgestritten.«
Imogens heroischer Akt war beeindruckend, doch kannte Laura sie zu gut.
»War es schlimm, Imo? Es tut mir so leid, dass du das hast durchmachen müssen. Ich hätte es verhindern können – hätte ich auch gemacht, ohne einen Augenblick zu zögern. Das weißt du doch
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