Hintergangen
überdimensionierten Cognac, den diese gar nicht haben wollte, auf das Tischchen neben dem Sofa und setzte sich neben sie.
»Tut mir leid. Das war taktlos von mir. Aber was willst du der Polizei denn sagen? Ich bin hier, um dir die Kraft zum Weitermachen zu geben. Du wirst dich um Alexa kümmern müssen, und dann das Testament, die Beerdigung, Verpflichtungen ohne Ende. Du wirst jemanden brauchen, mit dem du reden kannst, und ich bin die Einzige, die dich versteht.«
So leicht sollte sie Laura aber nicht davonkommen.
»Aber das ist ja das Problem, Imo. Du meinst, du verstehst es, in Wirklichkeit hast du nicht die leiseste Ahnung.«
Sie taten einander weh, und es führte nirgendwohin. Der Schaden war angerichtet, und das Messer in Imogen hineinzubohren half nicht im Geringsten. Vielleicht war der Cognac gar keine so schlechte Idee. Laura nahm einen Schluck und schüttelte sich. Sie hasste diese pappige Süße.
»Hör zu, lass uns nicht weiter streiten. Meine Gefühle fahren weiß Gott schon genug Achterbahn. Ich verstehe sehr gut, warum du gekommen bist, obwohl es eine beschissene Idee war. Es war verantwortungslos und impulsiv. Und die Polizei wird bestimmt wissen wollen, wieso ich so reagiert habe, als du zur Tür hereinkamst.«
»Dann sag ihnen doch die Wahrheit! Hugo hat mich gehasst, dein Bruder kann mich nicht ausstehen, ich war jahrelang verbannt aus diesem abscheulichen Haus, und dein Mann hat dir verboten, jemals wieder mit mir zu sprechen. Und du warst meine beste Freundin auf der Welt. Die Wahrheit ist scheußlich genug, auch ohne dass du irgendeine unrealistische Geschichte erfindest.«
Laura musste ihr zustimmen. Seit ihrem fünften Lebensjahr bis zum ersten Jahr ihrer Ehe waren sie und Imo die besten Freundinnen gewesen. Imogens Eltern waren aus Kanada ins Nachbarhaus gezogen, und Laura konnte sich deutlich an den Tag erinnern, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Es war einer von den schlimmen Tagen im Hause Kennedy gewesen, und Laura war in ihr heimliches Versteck mitten in einem dichten Gebüsch ganz unten am Rand des weitläufigen Gartens gekrochen, weit genug weg vom Haus, damit sie den Streit nicht hören musste. Bis zu Imogens ersten Worten hatte sie noch nie einen echten nordamerikanischen Akzent gehört. »Ich hab dich von meinem Zimmerfenster aus gesehen und dachte mir, du könntest ein bisschen Schokolade vertragen. Kann ich reinkommen?« Laura hatte wohl Ja gesagt, denn dieses breit grinsende Kind in Jeanshosen kam auf Händen und Knien in das Versteck gekrochen und bedachte Laura mit einer kurzen Umarmung und einem ziemlich schmutzigen Tütchen Schokolinsen. »Jetzt sag mir aber, wieso du weinst. Vorher geh ich nämlich nicht weg.«
Und das hatte ihre Freundschaft besiegelt. Imogen hatte eine Lücke in der Hecke zwischen ihren Häusern entdeckt und gesagt, das könne doch ihr Geheimnis sein. Sooft sie wolle, könne Laura sich da durchzwängen und mit ihr spielen, und sie werde es genauso machen. Von dem Tag an besuchten sie einander ständig. Laura glaubte, alles über Imogen zu wissen, und umgekehrt. Doch sie irrte sich.
Imogen hatte Laura nie gesagt, dass sie seit dem frühen Teenageralter absolut in Will Kennedy verschossen war, Lauras älteren Bruder. Und als ihre Gefühle erwidert wurden, hatte Laura sich ausgegrenzt gefühlt. Es dauerte eine Weile, bis sie Imogen verzeihen konnte, so ein Geheimnis für sich behalten zu haben, aber das Glück der beiden war ansteckend. Und so heirateten ihre beste Freundin und ihr Bruder, als Imogen gerade mal zwanzig Jahre alt war, und blieben ineinander verknallt bis zu jener schrecklichen Nacht genau hier in diesem Haus.
Jemand musste Will und ihrer Mutter das mit Hugo sagen. Es gefiel ihr gar nicht, dass Will sich für die Arbeit in Afrika entschieden hatte, doch zum Glück war ihre Mutter gerade auf dem Weg dorthin, um ihn zu besuchen. Inzwischen müsste sie dort angekommen sein. Ihre Mutter war weiß Gott nie Hugos größter Fan gewesen, aber gerade jetzt konnte Laura auf die Ansichten ihrer Mutter zur Wahl ihres Ehemanns gut verzichten.
»Ich muss es Will sagen, Imogen. Und Mum. Sonst sehen sie es in den Nachrichten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Energie habe, mich mit meiner Mutter auseinanderzusetzen, also sag ich es Will, dann kann er es ihr ja sagen.«
Laura wusste, wie Imogen reagieren würde. So eine günstige Gelegenheit, mit ihrem Exmann zu sprechen, würde sie sich niemals entgehen lassen.
»Ich werde Will
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