Hintergangen
einverstanden sind.«
Lady Fletcher sprach ganz ruhig.
»Könnten wir mit den Fragen bitte gleich anfangen? Ich würde es gern hinter mich bringen, wenn Sie es zeitlich einrichten können.«
»Leider habe ich um acht einen anderen Termin, und das dauert ein paar Stunden.«
Tom war überrascht über den unverwandten Blick, mit dem Laura Fletcher ihn musterte. Obwohl sie heute eine Brille trug, konnte Tom sehen, dass ihre Augen nicht mehr verweint waren, und obwohl sie immer noch leise sprach, hatte ihr Auftreten nun eine ganz neue Entschlossenheit.
»Detective Chief Inspector, da Sie ja anscheinend noch etwa eine Viertelstunde haben, bevor Sie gehen müssen, glauben Sie, wir könnten in der Zeit noch einmal das durchgehen, was Sie bereits wissen? Gestern Abend war ich zu schockiert, um zu reagieren, und ich will ja helfen, so gut ich kann.«
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht ein paar Minuten allein sein wollen, Lady Fletcher?«
»Nein, danke. Ich möchte wirklich, dass das alles so schnell wie möglich vorbei ist, und wenn es Ihnen nichts ausmacht, hätte ich gern, dass Sie mich Laura nennen. Ich wollte eigentlich nie einen Titel. Es ist noch gar nicht so viele Jahre her, da nannten mich alle Laura – vom Milchmann bis zu meinen Kunden. Und jetzt ist es das Schwierigste auf der Welt, den blöden Titel beiseitezulassen.«
Leicht überrascht über Lauras Tonfall beschloss Tom ihr Zeit zu geben, ob sie nun meinte, sie brauche sie oder nicht. Warum war sie heute so anders?, überlegte er. Er konnte sich bloß vorstellen, dass sie die Fragen hinter sich bringen wollte, um sich ganz der Trauer hingeben zu können.
»Okay, also Laura. Bitte nennen Sie mich Tom. Dann hole ich jetzt mal DS Robinson – Becky –, und wir versuchen in den nächsten zehn bis fünfzehn Minuten, einige Lücken zu füllen. Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er ließ sie mit ihrer Tasse Tee zurück, um sich wegen der Befragungstaktik kurz mit Becky abzusprechen, aber auch, um sie auf Lauras veränderte Haltung aufmerksam zu machen.
Als er mit seiner Kollegin ins Büro zurückkam, hatte sich Lauras entschlossene Fassade jedoch verflüchtigt, und es sah aus, als hätte sie sich wieder ganz in sich selbst zurückgezogen. Sie saß vollkommen reglos da, starrte ins Leere und schien gedanklich ganz weit weg zu sein. Tom ging um den Schreibtisch herum und setzte sich an seinen Platz, während Becky sich seitlich einen Stuhl heranrückte. Laura wandte den Blick zu Tom und wirkte für einen Augenblick überrascht, dass noch jemand anderes im Raum war. Sie schien sich innerlich zu wappnen, richtete sich auf und straffte die Schultern.
»Okay, Laura. Dann werde ich Sie auf den neuesten Stand bringen über das, was wir derzeit wissen, und zögern Sie bitte nicht zu unterbrechen. Wenn wir nach Oxfordshire kommen, müssen wir uns auch Sir Hugos Sachen genau ansehen, ob vielleicht etwas dabei ist, das auf ein Tatmotiv hindeuten könnte.«
»In Ordnung, aber bitte sagen Sie doch Hugo. Er fände es schrecklich – in seiner Familie waren sie alle so titelbesessen –, aber er ist ja nicht mehr da, um was dagegen zu haben, stimmt’s?«
Falls Tom gestern Abend Mühe gehabt hatte, aus ihr schlau zu werden, war es heute unmöglich. Es war, als hätte sie um ihren Kummer eine Mauer gebaut, die sie jedes Mal kurz vorm Einstürzen wieder stabilisierte. Und jetzt nahm sie diese feindselige Haltung gegenüber ihrem toten Gatten ein. Wut auf den Verblichenen war in den frühen Stadien von Trauer aber eine ganz natürliche Reaktion, und Tom war mehr als bereit, alle Förmlichkeiten fallen zu lassen, wenn sie sich dadurch wohler fühlte.
»Wir wissen, dass Beryl Stubbs Ihren Gatten – Hugo – ungefähr um Viertel vor eins gefunden hat. Das ist eine annähernde Schätzung, sie war aber so aufgeregt und erschrocken, dass sie erst etwa eine Stunde später die Polizei gerufen hat. Die Kollegen vor Ort sind kurz vor zwei am Tatort eingetroffen. Wir schätzen den Zeitpunkt des Todes zwischen halb zwölf und zwölf Uhr. Mrs Stubbs ist also etwa eine Stunde nachdem Ihr Gatte gestorben war angekommen.«
Laura war wieder sehr blass geworden. Die kruden Tatsachen um den Tod ihres Mannes rüttelten zweifellos an ihrer sorgfältig aufgebauten Barrikade.
»Möchten Sie noch etwas Tee, Laura?«, fragte Tom besorgt.
»Nein danke, schon gut. Bitte, fahren Sie fort.«
»Okay. Wir haben einen Augenzeugen, einen Nachbarn, der gesehen hat, wie jemand das Haus
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