Hintergangen
können, dass sie sich nur versprochen hat und statt ›mein‹ eigentlich ›unser‹ meinte. Doch so war es offenbar nicht. Denn als ich sie gefragt habe, ob sie mir denn das restliche Haus zeigen könne, da wir bei der Hochzeit ja nur das untere Stockwerk gesehen hätten, hat sie mit einer fadenscheinigen Ausrede abgelehnt. Und seither war ich noch nie oben.«
Becky war ratlos.
»Was machen Sie denn dann, wenn Sie hier zu Besuch sind?«
»Ehrlich gesagt, Becky, oft war ich nicht hier. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn ich mich quasi aufgedrängt habe, wurde ich im Gästecottage draußen einquartiert. Hugo wollte mich wohl nicht im Haus, ich war praktisch ausgesperrt, bis Hugo mich morgens wieder ins Haus gelassen hat. Weil ich gespürt habe, dass irgendwas nicht stimmt, habe ich Laura rundheraus gefragt, ob sie glücklich mit Hugo sei. Sie hat sehr ungehalten reagiert, was ich damit sagen wolle, und er sei ein ganz wunderbarer Mann, und es sei bedauerlich, dass er nicht meine Zustimmung finde, und ich solle seine Gastfreundschaft doch dann lieber nicht in Anspruch nehmen. Sie wurde richtig defensiv. So hatte ich sie noch nie erlebt. Also habe ich nichts mehr gesagt.«
Obwohl sie Stellas Meinung über Hugo gern genauer erkundet hätte, wechselte Becky das Thema.
»Stella, ich weiß, es ist schwer, aber können Sie mir sagen, wie es dazu gekommen ist, dass Laura zweimal in ein Pflegeheim gebracht wurde?«
Stella zögerte. »Na gut, ich werde es Ihnen sagen … Hugo hat sie einliefern lassen – oder ›in eine psychiatrische Anstalt einweisen lassen‹, wie es wohl heißt.« Stellas Augen flackerten wütend. Als sie gesagt hatte, sie könne Hugo nicht ausstehen, war dies zweifellos die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen.
»Beim ersten Mal war es wegen akuter Depression, sie ist zwei Jahre dort geblieben. Dann hat Hugo behauptet, sie hätte Wahnvorstellungen oder so ähnlich und gefährde sich selbst. Er hat immer Leute gefunden, die seine Behauptungen bestätigt haben. Beim zweiten Mal sogar einen Ihrer Chief Constable, stellen Sie sich vor! Ich bin sicher, Hugo hätte Laura am liebsten in ihr Zimmer eingeschlossen und den Schlüssel weggeworfen, doch dann war sie nach gut einem Jahr wieder draußen.«
Becky versuchte ihre Überraschung zu verbergen. Sie konnte kaum glauben, dass so ein hoher Polizeibeamter erwähnt wurde.
»Sie sagen, er hat immer Leute gefunden, die ihn unterstützten. Wer war es denn beim ersten Mal?«
»Weniger beeindruckend als der Chief Constable, aber genauso relevant: Alexas schreckliches Kindermädchen, Hannah heißt sie. Vielleicht hat sie ja gedacht, sie hätte Chancen, wenn Laura aus dem Weg wäre.«
13. Kapitel
O kay, Laura, du kannst dich entspannen. Der heiße Chief Inspector ist weg, Becky wird in der Küche gerade von deiner Mutter vollgequatscht, und ich mache einen Spaziergang. Ich brauche unbedingt frische Luft. Hast du Lust mitzukommen?«
Laura schüttelte den Kopf in Imogens Richtung.
»Danke, Imo, aber ich freue mich jetzt auf ein halbes Stündchen Ruhe. Hast du alles gelesen, was ich dir gegeben habe?«
Imogen bedachte Laura mit einem kläglichen Lächeln.
»Ja, Liebes. Ich will auch noch mehr lesen – aber erst, wenn du so weit bist. Ich habe zwar gesagt, ich will alles verstehen und die Lücken füllen, aber du legst darin ja auch deine Seele bloß. Das muss schwer sein.«
»Das ist es. Ich mach es auch nicht gerne, aber ich denke, das bin ich dir schuldig. Geh du nur spazieren, danach sehen wir weiter.«
L aura war erleichtert, ein wenig Zeit für sich zu haben. So- sehr sie Tom Douglas inzwischen mochte, weil er sie so einfühlsam behandelte, war sie doch froh, als er wieder weg war. Becky war geblieben, damit sie »sich um sie kümmert«, wie er es ausgedrückt hatte, aber die war noch immer in der Küche bei Stella. Laura wusste nicht, worüber die beiden geredet hatten, doch es musste etwas Wichtiges gewesen sein, denn Becky hatte Tom vor seiner Abfahrt zu einer kurzen Unterredung aus dem Wohnzimmer herübergerufen.
Jemand aus Toms Team war es schließlich gelungen, Annabel aufzuspüren, und Tom würde in der nächsten Stunde zu ihr fahren, um sie zu befragen. Er hatte freundlicherweise angeboten, die immer noch recht aufgewühlte Alexa wieder zu ihrer Mutter zu bringen. Laura, die von Annabel gar nichts und von deren mütterlichen Fähigkeiten noch weniger hielt, bezweifelte, dass sie selbst Alexa die Liebe und Beruhigung geben konnte,
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