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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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versetzte Finns Leiche einen derben Tritt. Dann zwang er sich zur Ruhe und versuchte nachzudenken. Mit seinem Taschentuch wischte er die Fingerabdrücke von der Plastiktüte, packte die durchlöcherten Scheine wieder hinein und steckte alles zurück in Finns Brusttasche. Er säuberte seine Hände und fischte mit dem Taschentuch nach den Autoschlüsseln.
    Was sollte er mit der Waffe machen? Er brauchte sie dringend, doch sie war jetzt zu heiß. Würde man ihn schnappen und die Waffe bei ihm sicherstellen, genügte eine Ballistikuntersuchung, um ihm den Mord an Finn anzuhängen. Die Waffe musste manipuliert werden. Also kniete er sich nochmals neben den Sockel, griff jetzt tiefer hinein und zog eine kleine Holzkiste hervor. Es war ein Pflege-Set für seine Automatik mit Öl, Lappen und Bürsten, aber auch mit einem Ersatzmagazin und einem zusätzlichen Lauf samt Schlagbolzen. Wyatt nahm den Austausch vor und hatte faktisch eine neue Waffe. Alles war fabrikneu und noch nie benutzt worden, abgesehen von der Endkontrolle nach der Fertigung. Die einzigen tödlichen Schüsse aus dieser Waffe, die ein Ballistikexperte nachweisen könnte, waren die, die noch nicht abgegeben worden waren.
    Schließlich knöpfte er sich Stolle vor, wobei er sicherheitshalber wieder das Taschentuch benutzte. In der Brieftasche, die er in Stolles Jackett fand, waren einhundertachtzig Dollar, die Wyatt gleich an sich nahm. Außerdem stieß er auf mehrere Kreditkarten, einen Führerschein, eine Schnüffler-Lizenz, ausgestellt auf den Namen Macarthur Stolle, und einige Mitgliedsausweise, die Stolle die Türen der Spielcasinos Jupiter, Wrest Point und Monte Carlo öffneten.
    Stolle regte sich.
    Wyatt versetzte ihm einen Tritt, so dass er hochfuhr. »Sie haben fünftausend Dollar erwähnt. Wo sind die?«
    Stolle zog eine Leidensmiene und schlug die Hände vors Gesicht.
    »Das eben war eine richtige Scheißaktion.«
    »Die fünftausend. Ich will sie haben.«
    Endlich hatte Stolle seine fünf Sinne wieder beisammen. »Sie kriegen sie, wenn wir im Flugzeug sitzen. Keine Sekunde eher.«
    Wyatt stand auf und ging zur Tür. »Keine Chance«, sagte er und war draußen. Er hatte zwar keine zweitausend Dollar, aber immerhin fast zweihundert mehr als vorher, seine Waffe und die Schlüssel zu Finns Leihwagen. Um drei Uhr war er bereits in Sorrento am Hafen und wartete auf die Fähre nach Queenscliff. Er ging als Erster an Bord. Punkt vier Uhr legte sie ab. Von Queenscliff aus fuhr er nicht weiter nach Geelong, sondern parkte den Mietwagen in der Nähe einer Grünfläche unweit des Strands.
    An diesem Abend rief er Harbutt noch einmal an.

    ZWÖLF

    Sie verabredeten sich in einem Pub im Hafenviertel. Ein Vorschlag von Harbutt. Das Prince Patrick war eine enge Eckkneipe in einem Haus mit schmutzig-grauer Stuckfassade über eisblauen Fliesen. Innen bestach der Pub durch abgetretenen, mit Brandlöchern übersäten Teppichboden und schmierige Spiegel. Auf der Wandverkleidung hatte sich der Kneipendunst — eine Melange aus Nikotin, Alkohol und Urin —als klebrige Patina niedergelassen. Die Tresenhandtücher fielen bereits auseinander und standen vor Schmutz, Asche und Bier. Bereits um zehn Uhr morgens fanden sich hier jede Menge Stammtrinker ein, vorwiegend Schichtarbeiter aus den Docks, die sich vor, nach oder anstelle der Arbeit hier zudröhnten. Die Luft war schwer, eine streng riechende Mixtur aus Malz und Mann.
    Harbutts Hände zitterten, er war unrasiert und hatte stark gerötete Augen.
    »Auf der Piste gewesen, was?«, Wyatt versuchte es auf die lockere Tour.
    Harbutt spülte sein Bier runter und zündete sich eine Zigarette an. Wyatt trank Kaffee.
    Er versuchte es noch einmal. »Mußt du heute nicht arbeiten?«
    Harbutt starrte ihn an. »Sie haben mich vor die Tür gesetzt, Kumpel. Mich und zweihundert andere. Bis Ende des Jahres kommen noch mal zweihundert dazu.«
    Wyatt beobachtete ihn und schwieg. Ein Anflug von Gier war eine nützliche Eigenschaft bei einem Kerl, mit dem man ein Ding drehen wollte. Verzweiflung und zitternde Hände waren es nicht.
    »Den Kater vertreibt man am besten, wenn man da weitermacht, wo man aufgehört hat«, meinte Harbutt und bestellte noch ein Bier. »Ich werd’s überleben. Es ist der Schock. Weiter nichts.«
    »Kann ich mir denken.«
    Harbutt brach in Gelächter aus, das in einen Hustenanfall überging. »Du hast nie für andere arbeiten müssen, Kumpel. Ja, vielleicht als du jung gewesen bist. Aber du warst nie abhängig

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