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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Erinnerung an sie wach, und augenblicklich wich seine Anspannung. Anna Reid hatte ihn in einen Strudel verhängnisvoller Ereignisse gezogen, aber er hatte ihre Leidenschaft nicht vergessen, diese ganz bestimmte Dynamik, die Gefahr bedeutete, aber auch Sinnlichkeit. Ihnen beiden war die Gesetzlosigkeit gemein und es hatte Zeiten gegeben, da hätte er sich vorstellen können, mit ihr zusammenzuarbeiten. Er hatte Anna aus seiner Erinnerung verbannt; doch manchmal gelang es einer Vorstellung von ihr, in sein Bewusstsein zu schlüpfen und er war erleichtert, sie nicht umgebracht zu haben. Lauerte sie dann in einer Nische seines Bewusstseins, nahm Schwermut von ihm Besitz.
    Doch er traute ihr nicht über den Weg. Er vertraute nur sich selbst, und damit war er bisher ganz gut gefahren.
    »Wyatt!« Sie packte ihn an der Schulter. »Hörst du mir überhaupt zu?«
    Er sah auf den Boden. Jemand war in einen Kaugummi getreten, die graue klebrige Masse pappte am Boden und zog bereits Fäden. Nicht nur Anna war ihm fremd, die gesamte Situation war es.
    »Wollen wir etwas essen gehen? Willst du hören, was ich dir zu erzählen habe?«
    Er nickte. Mehr Nähe hatte er nicht zu bieten.
    Sie gingen hinauf in die Mall, hielten sich rechts Richtung Fluss. Mitten im Einkaufszentrum lag ein Open-Air-Restaurant. Anna wählte einen Tisch unter einem Sonnenschirm, direkt neben einer Brüstung, die die Gäste des Restaurants von den Schaufensterbummlern und Touristen abschirmte. Ein passender Ort, um die Dinge zu erörtern, die zwischen ihnen zu erörtern waren. Aus dem Jeansgeschäft nebenan plärrte ein Madonna-Song und gegenüber luchste ein kleines Mädchen mit einer Sammelbüchse den Passanten Kleingeld ab. Unweit des Bistros hatte man einen Laufsteg aufgebaut, auf dem ein Mann im Smoking und mit Mikrofon das Defilee junger Badenixen blökend kommentierte.
    Wyatt beobachtete die Zuschauer. Japanische Reisegruppen, einige Tramper mit Sonnenbrand auf der Nase, Studenten, Leute im Konsumrausch. Fast alle in kurzen Hosen und Turnschuhen — er brauchte sich also nicht auf verdächtige Bewegungen in der Masse zu konzentrieren, die das Vorspiel für eine Attacke mit einer Schusswaffe waren.
    Sie bestellten Clubsandwiches und Mineralwasser. Anna ließ außerdem eine Karaffe Wein kommen, die Wyatt jedoch nicht anrührte. Er fragte: »Was machst du hier eigentlich?«
    Sie wusste, worauf er hinauswollte. »Schon vergessen, ich bin hier aufgewachsen.«
    »Ach ja.«
    »Nach dem verfickten Job in Melbourne hab ich alles hingeschmissen und bin hierher zurück.«
    Ihre Wortwahl klang sehr bemüht. Als hoffte sie, durch die raue Sprache der Straße eine Basis zu schaffen, auf der sie einander begegnen könnten. Es entging ihr nicht, dass Wyatt dichtmachte, also sagte sie schnell: »Ich hab hier sofort einen hervorragenden Job gefunden.«
    Sie suchte in seinem Gesicht nach einem Anflug von Interesse. Wyatt kam ihr nicht entgegen. Sein Blick war kalt, sein Gesicht nur eine nüchterne Bilanz.
    »Damals in Melbourne ...«, begann sie, »ich hatte nicht vor — «
    Sie verstummte, doch Wyatt fixierte sie weiterhin, eindringlich und ruhig.
    »Ich habe mit dir geschlafen, weil ich Lust dazu hatte, nicht des Jobs wegen«, beeilte sie sich zu sagen.
    Ungerührt blickte er sie an.
    »Ich konnte doch nicht voraussehen, wie die Sache ausgeht. Das verstehst du doch, oder?«
    Wyatt behielt den harten Kurs bei. Er schwieg und rührte weder Sandwich noch Wasser an.
    »Manchmal denke ich an dich«, sagte sie. »Ich wollte nicht, dass sich alles so entwickelt.«
    Wyatt lehnte sich nach vorn und seine Direktheit war wie eine Ohrfeige: »Du hattest ein ganz großes Ding am Start, von dem du dir eine Menge Kohle versprochen hast. Das Geld war dir wichtig, nicht ich. So viel zu deinen Gefühlen.«
    Sie wurde rot vor Zorn. »Da stehen wir uns ja in nichts nach.«
    Er ließ diese Bemerkung unkommentiert und verzog keine Miene. Tatsache war, hätte er sie nicht daran gehindert, hätte sie ihn kaltblütig umgelegt. Umgekehrt hätte sie ihn nicht daran hindern können, sie zu töten, und dennoch hatte er es nicht getan. Diese Wahrheit stand zwischen ihnen und war ihm unerträglich. »Das Vergangene ist gewesen. Es taugt lediglich dazu, einen daran zu erinnern, dass sich alles wiederholt. Was willst du?«
    Sie war immer noch wütend und zeigte es auch. »Ich will dich jedenfalls nicht umbringen, falls du das befürchtest. Und mit Sicherheit will ich auch nichts anderes von dir. Wie

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